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■ Aufgebaut wird ab Juli, gefeiert im September: Das OktoberfestEin kleines Wiesenpräludium

Infernalisch dröhnt der Lärm über die vibrierende Festwiese. Die Preßlufthämmer wühlen sich in den Schotterboden. Zeltgerippe erheben sich wie Rieseninsekten in den Gewitterhimmel. Ab 19. September werden sich hier Hunderttausende tummeln. Aus aller Herren Länder werden sie zusammenströmen, um hier dem Gerstensaft zu frönen. 6,5 Millionen waren es letztes Jahr, und die tranken 5,1 Millionen Liter Bier.

Am Aufbau der Tempel der Bierseligkeit arbeiten erstaunlich wenige Männer. Einer der Zauberlehrlinge, die den Wiesen-Wahnsinn heraufbeschwören, ist Michael, Anfang 20. Der Zimmermann und seine Kollegen bauen eines der 14 fußballplatzgroßen Holzgerüste für die Mega-Bierhallen auf. „Wir sind seit dem 13. Juli da, und zu Ende ist die Arbeit erst, wenn das Oktoberfest anfängt“, ruft er herunter, während er in schwindelerregender Höhe Dachbalken verschraubt. Er ist schon zum zweiten Mal dabei, trotzdem fasziniert ihn die 50 Meter überspannende Dachkonstruktion immer noch. „So was hat man nicht oft im richtigen Leben“, sagt er noch, bevor sein Kollege ihn mit dem Gabelstapler zum nächsten Dachbalken fährt.

Währenddessen elektrifiziert der selbständige Elektroinstallateur Anton Pfluger (60) mit sechs Mitarbeitern die Augustiner-Bierhalle, das größte Festzelt. Der Herr der Lichter sorgt dafür, daß die Birnen brennen, die Öfen glühen, die Musik spielt und das Bier kalt bleibt. Pfluger ist aus „der Umgebung“ und trägt schon zum 30. Mal zur Erschaffung der Wiesen bei. Um die zehn Kilometer Kabel, von armdick bis bindfadendünn, bilden das Gespinst, aus dem das Zelt seine Kraft saugt. 980 Ampere, eine Power, die für 75 Wohnhäuser reicht. Auch hier kommt der Strom nicht aus der Steckdose, sondern aus dem Boden. In bis zu zehn Meter Tiefe summen die unterirdischen Stromverteiler, die Saft in das Netz unter der Wiesen pumpen. Ein Großtransformator hoch über der Bavaria speist das „Fest“-Netz. Über 980.000 Volt werden unter die Wiesen gejagt.

„Früher“, sinniert Pfluger, „früher hat's noch nicht soviel Power braucht. Da 's da Umsatz noch allein mit am Bier g'mocht worn. Da sind an oam Tag die Maurer kommen, am negschten die Zimmerleut und so weiter. Was glauben'S, was die weggsoffen hoam!“ Heute wird das große Geld mit dem großen Fressen gemacht. Letztes Jahr fieselten Wiesen-Jäger und -Sammler über 620.000 Hendln und 79 Ochsen bis auf die Knochen ab – Steckerlfisch und Schweinsbraten sind Legion. „Kuchen werden da reingstellt wie für a Riesenaltersheim“, konstatiert Pfluger. Und die müssen scharf bewacht werden. Sobald die Elektrogeräte installiert sind, haben Wachleute in Kompaniestärke die Versorgungseinheiten rund um die Uhr im Auge. Die dürfen bei der Arbeit kein Bier trinken, im Gegensatz zu Pfluger und seinen Mannen.

Versorgt werden die 2.000 Handwerker durch die vier Kantinen auf dem Wiesengelände. Die haben die Münchner Großbrauereien für die Zeit des Auf- und Abbaus aufgestellt. Geradezu paradiesische Zustände herrschen da. Die Maß Bier kostet sechs Mark 20. Neben den Aufbauern gibt es noch Laufkundschaft, über deren Anzahl sich die Kantinenwirte aber nicht auslassen wollen – „wegen des Aufsichtsamtes“. Offiziell dürfen sie nämlich nur das Wiesenpersonal beglücken. Streß gibt es mit diesem kaum, außer „den üblichen Trunkenbolden“.

Um 18 Uhr ist Feierabend auf der Festwiese. Kein Preßlufthammer mehr, nur Vogelgezwitscher, und die Bavaria blickt auf eine geruhsame Festwiese und einen geruhsamen Abend. Noch. Heinrich Sander

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