: Auf den Küchenboden geholt
Glamour, das sind wir selbst: Zwei neue Magazine aus Deutschland ragen aus der Flut neuer Zeitschriftengründungen heraus. „Zoo“ und „Achtung“ unterscheiden sich erfreulich von dem, was man hierzulande bislang unter Modezeitschriften verstand
von KATRIN KRUSE
Ambitionierter Modejournalismus ist in Deutschland bisher die Ausnahme gewesen. Das könnte sich ändern. Unter den diversen neuen Zeitschriftengründungen aus Berlin sind auch einige Modemagazine. Zwei davon heißen Achtung und Zoo und unterscheiden sich erfreulich von dem, was man bisher unter Modemagazinen verstand. In beiden kann man spazieren gehen, allerdings auf sehr unterschiedliche Art.
Beiden Zeitschriften fehlt das lästige Geraune über die neuen Farben und die neuen Formen, also über das, was wir alle werden tragen wollen: Als sei Mode noch immer etwas, das sich beflissen kolportieren ließe, den Lesern stets eine Atemlänge voraus. Das Interesse dieser neuen Magazine gilt nicht der Mode, sondern konkreten Entwürfen und den Ideen derer, die sie geschaffen haben.
Wer Achtung aufschlägt, tritt aus der Jetztzeit heraus. Entschleunigte Zeit, entschleunigtes Blättern: die matten Seiten mehr Pappe als Papier, das Heft mehr Album als Zeitschrift. Die Fotografien haben weiße Ränder, und gern auch darf eine Seite ganz leer sein. Nicht überall wartet die Information. Die „Landschaft, die Achtung heißt“, ist eine sehr eigene und oft ins Vergangene spielende Welt. In diese wird die Mode überführt. So zeigt etwa das schwarzweiße Cover das „meistfotografierte Model der Welt“ Karolina Kurkova mit ihrer Mutter: Die steht dörflich, der Modewelt fern, zu Hause im böhmischen Zelesnice neben der Tochter.
Achtung verzichtet auf Studioaufnahmen und zeigt auffällig viele Modestrecken mit Männern. Mal wirken die Bilder wie aus den Anfängen der Porträtfotografie: so die Fotostrecke beim Corps Suevia in Freiburg, wo mit Bierkrügen und Gesangbüchern in Sütterlin die gegenwärtige Vergangenheit von Zünftigkeit und Männerbündischem inszeniert wird. Mal spaziert das Model nachts im Wald umher, wie vom Mond beschienen.
Was die Bilder zeigen, ist nicht das Objekt, sondern seine Wirkung: etwa die Verzauberung durch Olivier Theyskens Kleider für Rochas; das Kleid bleibt dabei unsichtbar. Dass sich ein Artikel dem österreichischen Modeschöpfer Carol Christian Poell widmet, scheint kein Zufall: dessen Liebe zum Gegenstand ist auch Achtung eigen.
Zoo hingegen ist fulminanter, schneller, glamouröser. Mehr Bilder, mehr große Namen – nicht zuletzt hinter dem Blatt. Denn Herausgeber ist Bryan Adams, bisher eher als Rockstar bekannt. Initiiert hat das Heft Creative Director Sandor Lubbe, der zuvor das Modemagazin Dutch herausbrachte.
Diese Verbindung macht einiges möglich. Etwa die Fotostrecke mit Courtney Love: David LaChapelle inszeniert die Grande Dame des Subversiven in einem verfallenden Kellerraum, es rinselt und blättert von Wand und Rohren, das Make-up verläuft. Ob Courtney Love großäugig am Taftkleid von Christian Dior knabbert, ob ihr nackter Körper in der Ecke kauert oder von einem Rohr herabhängt, entblößt scheint sie immer.
Von vorn angestrahlt, hinten im Schatten: Es sei das Licht, das Kunst von Pornografie unterscheide, sagte Bryan Adams beim Launch von Zoo. Er selbst hat für Zoo die deutsche Schauspielerin Heike Makatsch fotografiert. Die Bildstrecke zeigt sie traumverloren auf dem Küchenboden, die Spülbürste in der Hand wie ein absonderliches Accessoire. Der Text hingegen will wissen, was sonst niemand fragt: ob Makatsch den Routinen von Kochen, Putzen und Aufräumen gewachsen ist?
Überhaupt, die Texte: Von der Reportage über das Bauhaus in Dessau bis hin zum Porträt des Designers Heinz Oestergaard, dem Gestalter der deutsche Polizistenuniform, hat die Redaktion um Claudia Riedel gute Themen mit guten Schreibern besetzt. Auch dass der belgische Modemacher Martin Margiela in einem beiliegenden Poster Anleitung dazu gibt, wie ein Herrenhemd in ein Damenkostüm zu verwandeln ist, verdankt Zoo seiner Chefredakteurin. Als Verantwortliche der Modespecials von ZEIT-Leben hatte Claudia Riedel dort bereits die Schnittmuster eingeführt und etwa den Dior-Chefdesigner Hedi Slimane dafür gewonnen, sein Herrenjackett zum Abdruck freizugeben.
Ein Modemagazin, das Mode nicht nur abbildet, sondern für das sogar Mode gemacht wird, braucht seine Exklusivität nicht mehr zu betonen. Zoo und Achtung zeichnen Gelassenheit aus: Glamour, das sind nicht die anderen, Glamour, das sind wir selbst.
Während Achtung ändern will, dass deutsche Modemacher im Ausland anerkannt, im eigenen Land aber unerkannt sind, bringt Zoo Internationalität nach Deutschland – und macht ein deutsches Magazin international erhältlich.
„Achtung“. Zeitschrift für Mode, Nr. 01, 8 €; „Zoo Magazin“ Nr. 01, 4 €