piwik no script img

■ Auf dem Parteitag der PDS setzte sich die Führung durchDie Grenzen einer Milieu-Partei

Schon merkwürdig: Da verständigt sich die PDS auf einen Konsens, der nach einer mühsamen Debatte den Titel „antistalinistisch“ trägt – dabei soll dieser Konsens, der „endgültige Bruch mit dem Stalinismus“, doch schon seit dem Wendeparteitag im Herbst 1989 das Fundament der weiteren Entwicklung der Postkommunisten gewesen sein. Tatsächlich ist es wohl weniger so, daß nennenswerte Teile der PDS die Verbrechen des Stalinismus wirklich relativieren wollen – gestritten wird darüber, ob die zusammengebrochene DDR in ihrer Gänze den Stempel „stalinistisches System“ verdient hat.

Daß heute in Gysis Partei der Streit unter eben diesem Begriff wieder auflebt, zeigt, wie weit die Verklärung der DDR in den Reihen der PDS nach der Wende um sich gegriffen hat. Wer, wie so viele in der PDS zur Funktionselite im einstigen Arbeiter- und Bauernstaat gehört hat, weigert sich heute gerne, „seine Biographie entwerten zu lassen“. Der neigt auch zu der Aussage „nicht alles war so schlecht“. Das ist auch das Motiv, die Kommunistische Plattform in den eigenen Reihen zu halten: eben weil sie emphatisch an dem Satz festhält, dem ersten sozialistischen Versuch auf deutschem Boden dürfe die Legitimation nicht abgesprochen werden. Diese (Pseudo-)Solidarisierung erfolgt – mit wenigen Ausnahmen – ohne nennenswerte Debatte oder inhaltliche Auseinandersetzung. Die PDS, das zeigt sich darin, ist halt immer noch überwiegend eine Milieu-Partei. Daran hat sich der alte Parteivorstand abgearbeitet – der neue wird dies auch machen müssen.

Gezeigt hat sich am Wochenende auch, wie weit Parteispitze und Parteivolk, Programmatik und Parteileben tatsächlich auseinander sind. Der Vorstand – allen voran Gregor Gysi und Lothar Bisky – will den eigenen GenossInnen ein Reformprogramm verpassen, wohl wissend, daß nur so ein nennenswerter Neuanfang der PDS im Westen der Bundesreublik gelingen kann. Das „Schicksal der Partei“, das der Parteichef von der Annahme des Thesenpapiers des Vorstandes abhängig machte, wird sich in der Tat an einer Reform der PDS entscheiden. Schließlich ist der Wiedereinzug der PDS in den nächsten Bundestag über Direktmandate in vier Jahren – selbst bei gleicher Stärke im Osten – keineswegs gesichert.

Die PDS braucht also einen funktionierenden West-Verband. Ob aber eine Reform-PDS im Westen Fuß greifen kann, ist nicht so sicher. Eine nicht reformierte, im Westen von den alten Kadern der DKP vertretene PDS wird es aber auf keinen Fall. Solche Überlegungen waren den Delegierten fremd. Nur mit der Drohung des persönlichen Rückzugs brachte der Vorstand sein Thesenpapier durch. So bedeutet die Annahme des Thesenpapiers vorerst keine Reform, sondern nur bloße Modernisierung. Das Fundament wurde nicht saniert, nur die Fassade renoviert. Die PDS – von einer lebendigen linken Kraft noch ganz schön weit entfernt. Wolfgang Gast

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen