: Auf Zeit gespielt
Grundsatzentscheidung über Großflughafen verzögert sich / Nur Wirtschaftssenator Meisner drängt auf Januar
Der Bau eines internationalen Großflughafens in der Region Berlin-Brandenburg droht immer mehr im Morast unterschiedlicher Interessen zu versacken. Wochenlang hatte Wirtschaftssenator Norbert Meisner (SPD) seine Senatskollegen gedrängt, im Januar nächsten Jahres eine politische Grundsatzentscheidung zu fällen. Hauptargument: Die Investoren bräuchten Planungssicherheit. Während Meisner vehement den Standort Sperenberg befürwortet, übt sich der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) im Spagat. Er könne sich neben Sperenberg auch noch Schönefeld-Süd als künftigen Standort vorstellen. Jüterbog, der dritten Alternative auf Brandenburger Gebiet, erteilte Diepgen eine klare Absage. Intern hat sich Meisner mit seiner Haltung kräftig ins Abseits manövriert. Niemand scheint bereit, seinem Zeitplan zu folgen. Senatssprecher Michael-Andreas Butz brachte es in dieser Woche auf folgende Formel: Noch stehe ja das Votum der Berlin-Brandenburgischen Flughafen-Gesellschaft (BBF) aus, Betreiberin der beiden innerstädtischen Flughäfen Tempelhof und Tegel sowie von Schönefeld. Der BBF-Aufsichtsrat will Anfang Februar über den weiteren Fahrplan entscheiden. Ob von der Sitzung ein Signal für einen Flughafenneubau nach Brandenburg ausgehen wird, ist mehr als fraglich. Wiederholt hat BBF-Aufsichtsratsvorsitzender Hans-Olaf Henkel davor gewarnt, Schönefeld „ad acta zu legen“.
Der Senat spielt auf Zeit. Diepgen spult in diesen Tagen die altbekannte Formel ab, wonach im Jahr „2004 plus X“ die Inbetriebnahme eines Berlin-Brandenburger Flughafens anvisiert sei. Immer mehr scheinen die Berliner Überlegungen auf einen vorläufigen Ausbau von Schönefeld-Süd hinauszulaufen. Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) ließ verlauten, der früheste Zeitpunkt für die Inbetriebnahme eines neuen Großflughafens sei dann erreicht, wenn „der prognostizierte Bedarf die Kapazität des – gegebenenfalls zwischenzeitlich auszubauenden – vorhandenen Flughafensystems übersteigt“. Eine Formulierung, die zwischen den Zeilen für eine Nutzung von Schönefeld spricht und in Brandenburg die Befürchtung nährt, Berlin habe sich schon längst von der Idee eines Neubaus verabschiedet. Denn Haase korrigierte auch die Zahlen für das erwartete Passagieraufkommen deutlich nach unten: statt anvisierter 23 Millionen für das Jahr 2004 werden nur noch 19 Millionen angesetzt. Von den ursprünglich 60 Millionen im Jahr 2010 sackte die Prognose sogar auf 24 Millionen ab.
Hinter den Kulissen wird offen kolportiert, daß sogar erst „im Verlaufe des nächsten Jahres“ eine Entscheidung fallen soll. Nicht nur angesichts des bevorstehenden Wahlkampfes käme dann der Terminkalender völlig durcheinander. Ende 1995 läuft das sogenannte Verkehrswege-Beschleunigungsgesetz für die Bereiche Flughäfen, Straßen und Wasserwege aus. Noch vor dem 31. Dezember nächsten Jahres müßten Berlin und Brandenburg zumindestens ihren Antrag für den Bau eines Großflughafens eingereicht haben. Das umstrittene Gesetz ist für künftige Investoren ein kräftiges Lockmittel: Es schränkt die Bürgerbeteiligungen erheblich ein und verkürzt insbesondere den Klageweg auf eine Instanz.
Doch eine Verlängerung des Verkehrswege-Beschleunigungsgesetzes steht in den Sternen. Zwar forderten die Verkehrsminister der Länder am 23./24. November in München mehrheitlich die Bundesregierung auf, sich um eine Fortschreibung der Regelungen für Flughäfen, Straßen und Wasserwege bis Ende 1999 einzusetzen. Doch selbst wenn das Gesetz den Bundestag passieren würde, könnte es im Bundesrat scheitern. Schon in München hatte sich eine Ablehnungsfront abgezeichnet: vier Länder – darunter Hessen und Niedersachsen – sprachen sich gegen eine Verlängerung aus. Nordrhein-Westfalen sowie Schleswig- Holstein enthielten sich der Stimme. Dabei spielten offenbar nicht allein umweltrechtliche Bedenken eine Rolle. Inbesondere die hessische Landesregierung will sich, so ist zu hören, lästige Konkurrenten für ihren Airport in Frankfurt am Main vom Hals halten.
Eine Beerdigung des Verkehrswege-Beschleunigungs-Gesetzes hätte unmittelbare Auswirkungen auf die Berlin-Brandenburger Planungen. In diesem Falle würde nämlich das bundesweit geltende Planungsvereinfachungs-Gesetz übernommen, das statt einer zwei Klage-Instanzen festschreibt. Mit „Verzögerungen von zwei bis drei Jahren“ sei dann zu rechnen, meint der Sprecher des Brandenburger Verkehrsministeriums, Siegfried Keiluweit. Schließlich finde sich bei einem derart umstrittenen Vorhaben „garantiert irgendein Kläger“. Severin Weiland
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