Auf Schatzsuche in Thüringen: Goldrausch an der Grümpen

Richard "Rich" Kreibich kämpft gegen das Aussterben einer Jahrhunderte alten Tradition - der Goldwäsche in Thüringen. Und er verrät Nachwuchs-Diggern die besten Fundorte.

Wie einst im Wilden Westen: Goldsucher in Thüringen. Bild: dpa

Knietief im Wasser steht ein rüstiger Mann in geschnürter Wildlederkluft. In den Händen trägt er eine schwarze Pfanne, auf seinem weißen Haar einen polnischen Lederhut mit Eichhörnchenschwanz. Sein backenbärtiges Gesicht ist von der Sonne rot gegerbt. Um ihn herum rauschendes Wasser, Schiefersteine, Gestrüpp. Richard Kreibich schürft nach Gold. Nicht in Colorado am South Platte River, sondern hier, im 15 Kilometer langen Fluss Grümpen, im thüringischen Landkreis Sonneberg.

Der 66-jährige Goldwäscher legt seinen Hut am Flussufer nieder. "Ein Zugeständnis an die Vorstellung des Publikums, sobald ich anfange, lege ich ihn ab", erklärt Kreibich den Kursteilnehmern, einem älteren Ehepaar aus Braunschweig und Jens, Mitte 30, gelernter Fußbodenleger. "Es gibt auch keine Goldwäschertracht, dazu waren sie viel zu arm", sagt Kreibich.

Seine hat er sich selbst zusammengesetzt. Zum Goldwaschen bräuchte man nämlich eigentlich keine teure Ausstattung wie etwa die Angler. "Das passt nicht zu uns." Ein Paar alte Gummistiefel, eine Schaufel und eine Pfanne tun's auch, und es kann losgehen.

Er greift sich ein rotes Gartenschäufelchen und beginnt, eisenhaltige rote Erde und Steine in die Waschschüssel zu schippen. Dann schöpft er mit ihr reichlich Wasser, schwenkt sie kräftig, gießt den Schlamm und die Steine wieder zurück in den Fluss, bis nur noch etwas Sand übrig bleibt. Nur ein einziges gelb glänzendes Goldstaubkörnchen setzt sich, schwerer als Wasser, am Grund der Pfanne ab. Den Fund gibt er sorgsam in ein kleines Fläschchen, in der Größe eines Parfümpröbchens.

In Thüringen wurde noch im 18. Jahrhundert das Goldwaschen als Nebenerwerb ausgeübt. Oft waren es laienhafte Saisonarbeiter, die die Stellen nicht gut identifizieren konnten. Heutzutage wird es längst nicht mehr berufsmäßig betrieben. "Der Aufwand lohnt nicht mehr," winkt Kreibich ab. Daher geht das Wissen über die jahrhundertealte Tradition langsam verloren. Kreibich will das verhindern. Die Technik des Goldwaschens und die Stellen, wo Gold zu finden ist, müssten einem gezeigt werden. Und so wie er kennen sich nur wenige aus.

Tradition: Nach Gold wurde schon in der Kupferzeit (2000 v. Chr.) gesucht. Die uralte Tradition lebt als Hobby wieder auf. Die Anzahl der Hobby-Goldwäscher hierzulande wird auf 2.500 geschätzt.

Funde: Das grobe Gold tritt nicht in Klumpen, sondern in kleinsten Partikeln auf. Rund fünf Körnchen sind ein As - As ist eine alte Maßeinheit, 1 As entspricht 20 Milligramm. So viel mussten die Menschen damals um 1700 pro Tag waschen, damit sich der Nebenerwerb lohnte. Im Monat ergab das einen Dukaten.

Ausbeute: Heute werden jährlich schätzungsweise 250 Gramm Gold in Deutschland gewaschen. Dabei differiert der Börsenkurs für Feingold (21,64 Euro pro Gramm) vom Ankaufswert des gewaschenen Golds auf Tauschbörsen und bei Juwelieren (10-14 Euro) und dem wiederum viel höheren Sammlerwert (80-160 Euro).

Vorkommen: Viele deutsche Ortsnamen lassen erkennen, wo es Gold gab und gibt. Das Zentrum der Goldgewinnung in Thüringen lag am Goldberg bei Reichmannsdorf. Nach alten Überlieferungen wurde dort Deutschlands größter Nugget gefunden.

Früh hatte Kreibich, der schon als Kind gerne in Steinbrüchen rumhüpfte, gewusst, dass er Geologie und Mineralogie studieren wollte. Als "Sohn der Ausbeuterklasse" - sein Vater war selbständiger Spielzeughersteller - sei er nicht zum Abitur zugelassen worden. Mit der offiziellen Begründung "Unsere Studienplätze sind vornehmlich für die Kinder von Arbeitern und Bauern vorgesehen" wurde ihm der Zugang zur Wissenschaft verwehrt.

Stattdessen machte er eine Lehre bei einem Volkseigenen Betrieb, der Orden und Aktivistennadeln herstellte, "aus Alu, nicht aus Gold, denn in der DDR ging es um die Ehre und nicht um den materiellen Wert". Er jedoch kam innerhalb der VEB in die Abteilung Edelmetallschmuck und dort mit Gold in Berührung. Nach Abschluss der Ausbildung wurde er zum Wehrdienst eingezogen. Mit 26 zog er nach Weimar - damals die Stadt mit der größten Goldschmiededichte der DDR.

Wenn es um seinen Lehrauftrag geht, fährt Kreibich bei jedem Wetter mit seinem in die Jahre gekommenen roten Skoda zu den entlegenen Treffpunkten. Diesen Sommer veranstaltet er mindestens 17 Touren, darunter auch einige mit Schulklassen. Heute sind Gewitter angekündigt und deswegen nur wenige gekommen. Jens und das Ehepaar haben schon einen Einführungskurs gemacht und wurden von Kreibich mit dem Goldfieber angesteckt. Von ihnen wird er die ohnehin geringe Stundengebühr von 3,50 Euro nicht verlangen, da sie ihr eigenes Waschwerkzeug mitgebracht haben. Das Geschäft mit dem Gold ist häufig ein Minusgeschäft.

Zu seiner knappen Rente verdient er sich mit den Kursen, dem Herstellen von Repliken und mit kleineren und größeren Goldfunden ein bisschen was dazu. Eigentlich heißt Kreibich mit erstem Vornamen Christian. "In Goldwäscherkreisen werde ich aber Richard genannt." Auf seiner Internetseite www.goldsuche-thueringen.de kürzt sich Kreibich "Rich" ab. Mit dem englischen Wort für reich habe das nichts zu tun und für Anglizismen habe er nichts übrig. "Reich wird da keiner, dass ist höchstens ein kleines Zubrot."

Wenn man Kreibich glaubt, hatte und hat das Goldwaschen immer einen Hauch von Illegalität. Schon zu DDR-Zeiten hat er Gold gewaschen. "Ich hatte von Kindesbeinen an eine Waschpfanne in der Hand." Doch galt der ungemeldete Golderwerb als Verstoß gegen das Gesetz. "Man wurde gefilzt und es gab hohe Strafen." Gold galt als Devise; in der DDR hatte der Staat das Vorkaufsrecht, und der Edelmetall-Handel mit dem Ausland war staatlichen Stellen vorbehalten.

Kreibich musste sich, wenn er zum Steinetauschen nach Tschechien oder Polen fuhr, Erlaubnisscheine ausstellen lassen und hinterher Rechenschaft ablegen. Er selbst lebte aber insgeheim immer schon nach dem alten germanischen Recht: "Besitz besteht durch Ansichnehmen." Heute darf gewerblich kein Gold gewonnen werden. Für Kreibich machte das Gewerbeamt eine Ausnahme.

Nun, da die Schon- und Laichzeit in der Grümpen und der Schwarza beendet ist, läuft die Goldwaschsaison, um dann im September wieder zu enden. Den Winter über musste sich Kreibich damit begnügen, von seiner Werkstatt aus die Kurse terminlich abzustimmen. Seine Freude darüber, jetzt wieder waschen zu können, wird von den Bestimmungen der Naturschutzbehörden getrübt.

Seitdem die Schwarza 2003 offiziell unter Schutz gestellt wurde, habe er ständigen Ärger mit den Ämtern. So steht in seinen Geschäftsbedingungen zu den Goldwaschkursen: "Mitarbeiter der Behörden, Ministerien, Naturschutzverbände, deren Kontrollorgane und der Polizei geben sich unaufgefordert zu erkennen." Jetzt, wo die DDR Vergangenheit ist, braucht Kreibich scheinbar neue Reibungsflächen.

Wie damals schon, werde immer nur formal entschieden und keine Vorschrift hinterfragt, erklärt Kreibich seine Abneigung gegenüber der Bürokratie. Die Auflagen gingen völlig an der Realität vorbei: Es sei kein Quecksilber zu benutzen, man solle keinen Sand aus dem Fluss entwenden und keine Fische zertreten. "Tun wir ja auch gar nicht," verteidigt er sich.

Die vielen Schutzbestimmungen hält Kreibich für tourismusfeindlich. Vom Landkreis hätte er sich mehr Unterstützung erhofft. Dieser äußert sich auf Anfrage gar nicht ablehnend: "Unter Beachtung der naturräumlichen Gegebenheiten ist das Goldwaschen eine Bereicherung der touristischen Angebote" und "auch eine Verbindung zwischen Mensch und Natur."

Naturverbunden ist Kreibich ohne Zweifel. Er kennt die Landschaft sehr genau, kann alle Bäume, Pflanzen und erst recht Steine, ja sogar in Sandkorngröße benennen. Geradezu liebevoll spricht er über die Gegend, die ihn immer wieder mit Gold beschenkt hat. Er zeigt auf die mit Gras bewachsenen Wiesen, auf denen sich kleine Hügel erheben. "Das sind alte Goldwaschhalden. Im Prinzip ist hier alles schonmal durchgewühlt worden." Das Umwühlen am Flussrand greife nicht weiter in den Lebensraum der Fische ein, da ein einziges Hochwasser nach einem starken Regen viel mehr Veränderungen in das Kiesbett bringe als das bisschen Schaufeln, meint Kreibich.

Inzwischen versuchen die anderen ihr Glück. Es sind noch weitere Goldsucher dazugekommen, die nicht zum Kurs gehören. Die Einzelgänger haben die Gruppe vom Weiten erkannt. Sie wissen: Wo Kreibich ist, gibt es was zu holen. Weiter flussaufwärts machen sie sich an die Arbeit. Schwieriger als das Schürfen ist es, an den richtigen Stellen zu suchen. Kreibich zeigt eine, "die ist Gold wert!" Er behält recht: Nach einer einzigen Ladung Schlamm gleich fünf Goldkörnchen! Etwa so viel hätten die Saisongoldwäscher im 18. Jahrhundert pro Tag gewaschen, damit sie überleben konnten. Der Bankwert sei dabei zu vernachlässigen. "Du musst selbst entscheiden, wie viel dir der Fund wert ist", sagt Kreibich.

Das Rauschen des Flusses, der Lufthochdruck, die körperliche Anstrengung. Was ein Goldrausch ist, kann hier am eigenen Leib erfahren werden. Kreibich ist das längst gewohnt. Sein großer Traum ist es, nicht nur im Osten Deutschlands, sondern im wilden Westen, in Alaska auf Goldsuche zu gehen.

Ein Traum, der, so glaubt er, nicht mehr Realität werden wird. "Nach der Wende hatte ich andere Probleme, und jetzt bin ich zu alt, um diese Reise alleine anzugehen." Und die Goldfrage ist auch eine Geldfrage. Gut, dass die Grümpen nicht so weit weg ist und man im Osten ein Stück wilden Westen erleben kann.

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