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Auch bei einer kleinen auszeit in italien ist nicht plötzlich alles anders: die kinder haben heimweh, die obrigkeit nervt und die schafe brauchen fussbäderUrlaub in Umbrien statt Ziegenhüten auf Møn

Foto: privat

vogelfluglinie

von rebecca clare sanger

Dass Ziegen auf Møn nun mal nicht dasselbe sind wie Schafe in Umbrien, habe ich inzwischen gelernt. Und nun haben wir den Spatz in der Hand einem tüchtigen, benachbarten Hobbyfarmer überlassen. Und ich habe unserer Familie Umbrien aufgezwungen, die Taube auf dem Dach jagen gehen.

„Fahren wir heute zurück nach Hjertebjerg?“, fragt mich unser Sohn täglich und: „Ich will zurück nach Hjertebjerg, ich will zurück zu den Regenwolken.“ Und das Eis, dass die Kinder auf andere Gedanken bringen soll, wirkt plötzlich so teuer. Wie soll unsere Haushaltskasse das bloß 70 Tage lang verkraften, so viel kriegt man auf Elternzeit ja nun auch nicht, und dann diese verfluchten, unsichtbaren Parkverbotsschilder. Und diese unsagbar selbstzufriedene Parkwächterin. Und diese bekannt undurchschaubare Extragebühr, die anfällt, wenn man das Knöllchen im Postamt bezahlt und nicht in der Polizeiwache. Die eh den Großteil der Woche über geschlossen hat.

„Die Gauner“, sagt meine albanische Bekannte, „haben für die Dänen nicht den Namen des diensthabenden Parkwächters ins Pflichtfeld geschrieben.“ Sie hat das Knöllchen auf unser Autokennzeichen hin studiert.

Nach einer längeren Pause, in der sie sich geschworen hatte, nie wieder mit Tieren zu arbeiten, ist meine umbrische Freundin, die Schäferin, zu der Herde zurückgekehrt. Hat mit Fußbädern Moderhinke bekämpft, neue Böcke besorgt und Jungschafe. Sie hat mehr Weide geliehen, mehr Heu gefüttert und den Hunden Benehmen beigebracht (Oder so ähnlich. Der Hunde wegen schiebt mein Hund immer noch Gartenarrest. Keiner, am wenigsten die Schäferin selbst, kann sagen, wie wir die aggressiven Hütehunde an meinen ebenfalls aggressiven alten Hund heranführen sollen). Und die neuen Lämmer, die jetzt täglich geboren werden, bekommen alle Namen.

Ich erkenne die Sorgen meiner Freundin wieder. Die Schafe verstoßen ihre Lämmer dutzendweise. Im Stall rennen Lämmer den Zitzen von unwilligen Schafen hinterher, oder hängen traubenweise an den Eutern derer, die geduldig, aber eh schon leergetrunken sind. Ruhelose Schafe schieben sich durch den Stall, ohne dass man den Grund genau kennen würde. Weil sie die Schwänze nicht kupieren will, kämpft die Schäferin beim Melken gegen Kotreste an, die bei Durchfall nun mal anfallen. Wie gut, dass das die zimperlichen italienischen Pecorinokäsekäufer in der Direktkäserei nicht zu Gesicht kriegen.

„Lohnt sich das denn, finanziell? Wie viele Stunden am Tag arbeitest du eigentlich?“ – Und es ist ein Glück, dass man gutes Gewissen nicht mit Gold aufwiegen kann.

Gutes Gewissen, das sich beim Verzehr des Käses im Bauch und im Kopf und in den Händen ausbreitet. Denn erst wenn die Lämmer abgestillt sind, werden die Mütter für die Käseproduktion gemolken. Nicht mit Gold oder Geld: Bezahlen tut sich das Ganze, selbstverständlich, überhaupt nicht.

Meine Laktoseallergie hat sich aufgelöst. Ich rühre Ricotta in Soßen und reibe Pecorino über Nudeln. Uns hängt der Geruch nach Schaf in den Kleidern, und Kot an den Schuhen. Italien mag nichts als ein alter Stiefel sein und Schafe halten nichts als Sorge. Und dennoch: Trotz des Leids der Einzelnen grast die Herde ruhig, beständig, sich selbst erneuernd wie im Kuckuckslied, weiße Punkte auf grünen Hügelhängen.

Rebecca Clare Sanger pendelt mit Mann und Kindern zwischen Hamburg und der dänischen Insel Mø n; was sie dabei erlebt, steht alle zwei Wochen an dieser Stelle

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