Attentat auf Sikh-Tempel: „Vielleicht ein Verrückter“
Nach dem Attentat auf einen Sikh-Tempel in den USA ist das Motiv noch immer unklar. Der deutsche Sikh Harjinder Singh Chahal sieht Probleme mit Fremdenhass.
taz: Herr Chahal, was sind eigentlich die Sikhs?
Harjinder Singh Chahal: Der Sikhismus ist im 15. Jahrhundert entstanden und geht auf den Prediger Guru Nanak zurück. Wir gehen von der Einheit der Schöpfung aus und sind eine friedliebende Religion. Sikhs sind Vegetarier, Alkohol und andere Drogen sind verboten. Es gibt keine Hierarchien oder Kasten, die Frau ist gleichberechtigt mit dem Mann – vor Gott ist jeder Mensch gleich.
Wichtig ist, dass es sich nicht um eine Reformbewegung aus dem Hinduismus oder dem Islam handelt, sondern etwas Eigenes ist. Wir sehen uns als Diener Gottes. Mehr als 20 Millionen Sikhs, was übersetzt „Schüler“ heißt, gibt es auf der Welt. Die meisten leben in Nordindien.
Es wird spekuliert, dass sich hinter dem Anschlag in den USA islamfeindliche Motive standen, da die Sikhs oft mit Muslimen verwechselt würden und es seit dem 11. September 2001 mehr Übergriffe auch auf Sikh-Gemeinden gab. Was denken Sie?
Ja, es gibt Verwechslungen – was das Aussehen betrifft: Wir tragen die fünf „Kakars“. „Kes“ steht für ungeschnittenes Haar, als Respektsbekundung für die Schöpfung. „Kangha“, ein Holzkamm, symbolisiert die Haarpflege, „Kirpan“, der Dolch, bedeutet, dass wir Schwache verteidigen, „Kara“, ein Armreif, soll an die Wahrheitspflicht erinnern, und „Kachera“, eine knielange Unterhose, steht für sexuelle Mäßigung.
ist Beiratsvorsitzender der Sikh-Gemeinde in Hannover.
Vor allem der Turban, unter dem wir das Haar tragen, und der Bart ähneln denen arabischer Muslime. Sie stutzen ihre Bärte allerdings, wir dürfen das streng genommen nicht.
Gab es auch in Deutschland Übergriffe – und haben Sie Angst vor einem Anschlag auch auf Ihren Tempel in Hannover?
Nein. Es gab hier sicherlich Anfeindungen, die aber eher allgemein mit Fremdenhass zu erklären sind. Auch können wir noch nicht sagen, ob es sich am Sonntag tatsächlich um Islamfeindlichkeit gehandelt hat. Vielleicht war es auch ein Verrückter, wie in der Premiere des Batman-Films. In beiden Fällen sind wir sehr schockiert, unsere Religion lehrt, keinem Menschen Gewalt anzutun. Daher bin ich sehr betroffen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“