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Attacke am FrauentagAngriff auf verhütungskritischen Apotheker

Scheiben einer Apotheke in Neukölln eingeschlagen - radikale FeministInnen bekennen sich.

Nicht das richtige dabei? Radikale Feministinnen bemängeln Apotheker-Angebot Bild: dpa

Bereits im zweiten Jahr in Folge haben militante FeministInnen am Weltfrauentag die Scheiben einer Apotheke am Neuköllner Maybachufer eingeschlagen. Mutmaßlicher Grund des Angriffs: Der Besitzer weigert sich aus religiösen Gründen, die Pille danach und die Spirale zu verkaufen. Der polizeiliche Staatsschutz ermittelt, ob ein politisches Motiv vorliegt.

Mit einem bei indymedia geposteten Beitrag bekennt sich eine Gruppe namens "ein paar Menschen" zu dem Anschlag. Das Geschäft "vertritt ein verschärftes Bild einer patriarchalen Gesellschaft", heißt es dort, daher habe man es "als Beitrag zum internationalen Frauenkampftag (…) umgestaltet."

Das Gleiche war bereits im Vorjahr geschehen, damals endete ein ähnliches "Bekennerschreiben" mit den Worten: "Kein Gott! Kein Staat! Kein Ehemann!"

Der Inhaber der Apotheke erklärte gegenüber der taz, er verkaufe bestimmte Produkte nicht, weil es ihm um den Schutz des Lebens gehe. Den Vertrieb eines Verhütungsmittels, das die Einnistung einer befruchteten Eizelle verhindere, könne er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren. Zudem belehrt er Kunden, die Kondome und Kontrazeptiva erwerben, mit einem eigenen "Beipackzettel". "Das unveräußerliche Lebensrecht jedes Menschen von der Empfängnis an ist ein Grundprinzip der bürgerlichen Gesellschaft", heißt es da. Bei der Verhütung rät der Apotheker zu "natürlicher Familienplanung". Für die TäterInnen richtet sich die Apotheke damit "gegen die Selbstbestimmung von Frauen". Das Vorgehen sei bevormundend und dränge Frauen in eine bestimmte Rolle. Nach Angabe der Bundesvereinigung Deutscher Apothekenverbände ist diese Vergabepraxis rechtlich möglich. Apotheker können sich beim Verkauf von Verhütungsmitteln auf ihre Gewissensfreiheit berufen.

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6 Kommentare

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  • H
    Herm

    Danke für die richtige Überschrift: Angriff auf vehütungskritischen Apotheker. Dass es sich um einen militanten Angriff handelte, gesinnungstheoretisch bemäntelt mit Begriffen wie "Geschäft umgestaltet" (andernorts werden "entglaste" Fenster bejubelt),ist der wahre Skandal. Wer so handelt, handelt nur noch kriminell und hat keinen Anspruch mehr auf Gehör in der Debatte. Wie klang das noch: Keine Gewalt?!

  • M
    MissNorris

    Ups,ich vergass:

    *=Der Mann ist von Beruf Apotheker.Sein Job ist es,mir die Medikamente zu verkaufen,die ich und meine Ärztin als für mich richtig und nötig befunden haben.

    Lebenberatung hole ich mir woanders.

    Ausserdem ist er als Apotheker per Definition TEIL der "Pharmalobby" von der die anderen Kommentatorinnen hier irrtümlich meinen,er leiste Widerstand gegen sie...

    Zu guter letzt:Es geht hier auch und vor allem um die "Pille danach",also Notfallverhütung NACH einem ungeschützten Geschlechtverkehr.(Der nebenbei auch erzwungen sein kann.Im Falle einer Vergewaltigung ist die NFP wohl kaum effektiv...).Welche Alternative bietet mir hier die spirituelle Ökofeministin? Fünfmal vom Tisch springen?Mit Kernseife spülen?Petersilie Bilsenkraut wächst in unserem Garten?

  • M
    MissNorris

    @Raisin:Niemand will Ihnen die NFP ausreden oder Sie zur Pille nötigen.Ob Sie persönlich mit Hilfe eines Bio-Apfels (zwischen den Knien festhalten ;-))oder mit einer komfortablen Abtreibungsflatrate beim Holländer Ihres Vertrauens verhüten ist allein Ihre Sache und geht ansonsten keinen was an.Auch geht es Sie nichts an,ob ich mich von Menarche bis Menopause durchmedikamentisiere,natürlich erst nach gründlicher Gehirnwäsche im Umerziehungslager der Pharmatyrannen und Gyn-neralissimos,LOL!

    Jede Frau hat das Recht,so zu verhüten,wie sie es für richtig hält.Dies gehört selbstveständlich zum Selbstbestimmungsrecht dazu.

    Auch finde ich nicht,dass die Gefährlichkeit dieses Apothekers zu unterschätzen ist:Ja,sicher,nur ein einzelner.Noch.In den USA waren es auch erst Einzelfälle.Jetz gibt es dort den "Conscience Clause",der solche Apotheker,die sich weigern ihren Job zu tun*,juristisch absichert.Auf ins Mittelalter...

  • I
    Ines

    Na, den ersten Kommentar hab ich wohl zu sehr an meiner Sache interessiert abgeschickt und möchte noch um dieses ergänzen:

    Die Aussagen des Apothekers in ihrer religiösen Motivation sind auch für mich nicht vertretbar.

    Aber NFP wird nicht nur von Spinnern betrieben, sondern von ganz normalen Frauen. Wie schade dass gerade auch in Bezug zum Artikel „Lieber Klassenfahrt als Pille" eine wirklich segensreiche Methode mit solch einseitiger Berichterstattung in so ein unseriöses Licht gestellt wird.

  • R
    Raisin

    Anscheinend haben sich die wohlmeinenden Feministinnen, die den Ratschlag zu NFP (natürliche Familienplanung) als bevormundend empfinden, nicht wirklich mit dieser Verhütungsmethode auseinander gesetzt. Mit einem PI von 0,2-0,6 ist sie so sicher wie die Pille, und dabei ohne unerwünschte gesundheitsgefährdende Nebenwirkungen. Alle Frauen, die ich kenne und die (wie ich) NFP anwenden, berichten, dass die Libido im Vergleich zur Verhütung mit der Pille höher sei (da sollte man sich also fragen, ob die Pille sich nicht bevormundend auf das weibliche Lustempfinden auswirkt).

     

    Keine wurde zu NFP gedrängt, im Gegenteil, viele setzen diese Methode in mühevoller Überzeugungsarbeit gegenüber ihren Partnern durch.

     

    Obwohl selbst feministisch, möchte ich mich nach Erfahrungen mit Pille und NFP nicht mehr von anderen Damen zur Pille hin in eine Rolle drängen und bevormunden lassen.

     

    Außerdem gefährdet die seinem Gewissen entsprungene Entscheidung eines einzelnen Berliner Apothekers wohl kaum das generelle Wahlrecht der Frauen in Verhütungsfragen, im Gegenteil.

     

    Die Pille und andere hormonelle Verhütungsmittel werden stark lobbyistisch vertreten (oft ohne auf Risiken und Spätfolgen hinzuweisen, bzw wird, wenn sie eingetreten sind, negiert, dass sie durch die Hormone entstanden sein könnten). Oft wird als selbstverständlich vorausgesetzt, dass eine Frau von der Menarche bis zur Menopause dauermedikamentisiert lebt. Viele Frauen schlucken sie viel zu unkritisch, und werden über praktikable und sichere Alternativen nicht aufgeklärt. Entscheiden sie sich dennoch für NFP, werden sie von Ärzten, Apothekern und ihrem privaten Umfeld als naiv und leichtsinnig bezeichnet.

     

    Ich begrüße ausdrücklich, dass ein Apotheker NFP empfiehlt, udn wünschte, dies wäre noch weiter verbreitet. Dann erst hätten Frauen wirklich die Wahlfreiheit, und müssten sich nicht mehr von Pharmakonzernen, irreführenden Schulbüchern, defizitärer Aufklärung und uninformierten Gynäkologen bevormunden lassen.

  • I
    Ines

    Diese Feministinnen haben sich offensichtlich noch nicht mit der wissenschaftlichem, seit über 20 Jahren gepflegten Verhütungs-Methode und den Auswirkungen auf Körper und Selbstwahrnehmung von Hormonen beschäftigt. Wie schön, dass es Apotheker gibt, die dieses Gleichschaltungsmittel der Pharmaindustrie nicht verkaufen wollen. Ich empfehle zur Bewusstseinsbildung Lektüre von Barbara Duden.

    Zur Methode: http://www.nfp-online.de/ oder wer's wissenschaftlicher mag: http://www.sektion-natuerliche-fertilitaet.de/