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Atom-SicherheitsstudieLicht aus in Brunsbüttel

Den Meilern Brunsbüttel und Unterweser droht nach der Vorlage des Berichts der Reaktor-Sicherheitskommission das Ende. Der Pannenreaktor in Krümmel hingegen könnte zum Zankapfel werden.

Jetzt wird es eng: Das Atomkraftwerk Brunsbüttel kommt im Bericht der Reaktorsicherheitskommission schlecht weg. Bild: Foto: dapd

HAMBURG taz | Das Atomkraftwerk Brunsbüttel gehört zu den unsichersten der Republik und wird wohl nie wieder ans Netz gehen. Das deutete Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) am Dienstag in Berlin bei der Vorstellung des Berichts der Reaktorsicherheitskommission (RSK) an. Der Meiler an der Unterelbe genüge "nicht einmal den Sicherheitsanforderungen für den Absturz eines kleinen Flugzeugs".

Ebenso wie drei süddeutsche Reaktoren habe Brunsbüttel "keine nachgewiesene Sicherheitsauslegung" und erfülle "nicht die kleinste der drei geprüften Sicherheitsstufen", sagte Röttgen. Alle sieben Alt-AKWs seien entweder gar nicht oder nur ungenügend vor Flugzeugabstürzen geschützt, davor könne "die Politik nicht die Augen verschließen".

Das im Zuge des Atom-Moratoriums im März abgeschaltete Kraftwerk Unterweser, das ebenfalls zu den sieben Alt-Reaktoren gehört, steht auch nicht viel besser da als Brunsbüttel. Nach RSK-Berechnungen erfüllt es lediglich die Schutzanforderungen der untersten von drei Sicherheitsstufen bei einem Flugzeugabsturz.

AKWs im Norden.

Brokdorf: Betreiber: Eon, Partner: Vattenfall. Inbetriebnahme: 1986. Stilllegung Atomkonsens: 2022. Laufzeitverlängerung: 2033.

Brunsbüttel: Betreiber: Vattenfall, Partner: Eon. Inbetriebnahme: 1977. Stilllegung Atomkonsens: 2013. Laufzeitverlängerung: 2020. Außer Betrieb seit: 28. Juni 2007.

Krümmel: Betreiber: Vattenfall, Partner: Eon. Inbetriebnahme: 1984. Stilllegung Atomkonsens: 2021. Laufzeitverlängerung: 2033. Außer Betrieb seit: 28. Juni 2007.

Unterweser: Betreiber: Eon. Inbetriebnahme: 9.9.1979. Stilllegung Atomkonsens: 2013. Laufzeitverlängerung: 2020. Außer Betrieb seit: 18. März 2011.

Grohnde: Betreiber: Eon. Inbetriebnahme: 1.2.1985. Stilllegung Atomkonsens: 2019. Laufzeitverlängerung: 2032.

Emsland: Betreiber: RWE. Inbetriebnahme: 1988. Stilllegung Atomkonsens: 2022. Laufzeitverlängerung: 2034.

Die SPD-Fraktion im niedersächsischen Landtag fordert darum, "Unterweser nicht wieder ans Netz" zu lassen. Sogar der niedersächsische CDU-Fraktionschef Björn Thümler sagte am Dienstag, er könne sich "nicht vorstellen, dass Unterweser wieder ans Netz geht". Es gehe dabei "um die Glaubwürdigkeit der Politik".

Einzig FDP-Umweltminister Hans-Heinrich Sander wollte das AKW noch nicht aufgeben und forderte von Unterweser-Betreiber Eon in "NDR aktuell", den Atommeiler zum Schutz vor Flugzeugabstürzen und Hochwasserkatastrophen nachzurüsten.

Die RSK-Sicherheitsüberprüfung enthält sich solcher Empfehlungen ganz und fordert stattdessen weitere Prüfungen. Klar aber ist: An allen deutschen Atomkraftwerken wurden Sicherheitsmängel entdeckt.

Auch vergleichsweise moderne Reaktoren wie Brokdorf, Grohnde oder Emsland genügen in weiten Bereichen nicht den höchsten Schutzanforderungen. So patze Brokdorf etwa beim Hochwasserschutz: Es "werden die Bewertungskriterien der Level 2 und 3 nicht erfüllt", heißt es in dem der taz vorliegenden Sicherheitsbericht.

Im Wesentlichen dreht sich die Stilllegungs-Debatte jedoch um die Alt-Reaktoren, die im Zuge des Atom-Moratoriums abgeschaltet worden sind, sowie um die beiden Reaktoren in Brunsbüttel und in Krümmel, die sich bereits seit Pannen im Jahr 2007 nicht mehr am Netz befinden.

Nach den Ergebnissen der Studie hat im norddeutschen Raum Brunsbüttel die schlechtesten, Unterweser etwas bessere und Krümmel als relativ moderner Reaktor die besten Überlebenschancen. Hinter den Kulissen kündigte Mitbetreiber Vattenfall bereits an, um die Wiederinbetriebnahme des leistungsstarken Krümmeler Reaktors kämpfen zu wollen.

Nach Ansicht von Greenpeace rechtfertigt der Bericht hingegen auch die Stilllegung des Pannenreaktors in Krümmel. Auch in der Elbmarsch gebe es "keine Auslegung gegen ein mittleres Verkehrsflugzeug", stellt die RSK-Studie fest und sieht auch hier Sicherheitsstufe zwei "ohne zusätzliche Nachweise" nicht erfüllt.

Heinz Smital, Atom-Experte von Greenpeace, sagt deshalb: "Ein Weiterbetrieb wäre unverantwortlich." Auch Ex-Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) sprach sich für die endgültige Stilllegung von Krümmel aus.

Die Sicherheitsstudie ist allerdings umstritten. Weil sie sich bei der Bewertung einer Reihe von Fragen auf "nicht überprüfbaren Einschätzungen der AKW-Betreiber" verlasse, lege "die gewohnte Nachweistiefe" nicht vor, kritisiert die für Brunsbüttel, Krümmel und Brokdorf zuständige Kieler Atomaufsicht. Im Klartext: Die Studie ist als zu betreiberfreundlich zu bewerten.

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1 Kommentar

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  • D
    Diplomphysiker

    Alle deutschen KKW können kostengünstig und effektiv gegen Flugzeugabstürze aller Art durch geeignete Flugabwehrmaßnahmen gesichert werden, wie sie auch bei unzähligen Standorten der Bundeswehr bestehen. Der Abschuß anfliegender Flugzeuge durch entsprechendes Personal auf dem Kraftwerksgelände wäre überdies durch das Recht der unmittelbaren Gefahrenabwehr zum Schutz des eigenen Lebens gedeckt, anders als bei Schäubles Flugsicherheitsgesetz, welches zu recht gekippt worden ist.

    Mit der Stationierung von etwa vier Flugabwehrsystemen der Typen "Crotale" oder "Tor M-1" pro Anlage wäre mit hoher Redundanz jegliche Gefährdung durch Flugzeuge zu 100% ausgeschlossen, welche als Vorwand für die wirtschaftlich und umweltpolitisch unsinnige Stillegung deutscher KKW damit entfällt.