■ Atom-Altlasten in den USA werden saniert: Die Zeche für den Kalten Krieg
Nach fünfzig Jahren hemmungslosen Schlemmens serviert das US-Atomministerium nun die erste genaue Rechnung: Laut dem Department of Energy (DOE) soll die Sanierung allein der US-amerikanischen Atom-Altlasten aus dem Kalten Krieg mindestens 200 Milliarden Dollar kosten. 30 Milliarden kommen noch hinzu für Atomenergie- und Forschungsanlagen.
Einziger Trost für die vom Sparzwang bedrohte Clinton-Regierung: Der Betrag verteilt sich auf 75 Jahre. So lange wird es dauern, bis die etwa 130 ehemaligen Bombenstandorte so weit behandelt sind, daß sie ohne Lebensgefahr für Anwohner und Wachpersonal sich selbst überlassen werden können. Um all die Plutoniumlager und Waffenschmieden in die sprichwörtliche „grüne Wiese“ zu verwandeln, setzte das Department of Energy gar 500 Milliarden an.
Daß die Kalten Krieger ihre Kinder und Enkelkinder Milliarden Dollar kosten würden, war schon immer klar. Doch die Höhe der Zeche überrascht. Allein die Sanierung der beiden großen Atombombenfabriken Hanford im Bundesstaat Washington und Savannah River in South Carolina kostet je 48 Milliarden Dollar samt Lagerung der radioaktiven Abfälle. Die Fortschritte in der Entsorgungstechnik der nächsten Jahrzehnte sind da schon eingerechnet. Da wird auch die Bundesregierung noch einige Überraschungen erleben bei der Sanierung des Wismut-Nachlasses in Sachsen und im Vogtland, dem ehemals drittgrößten Uranabbaugebiet der Welt.
Die amerikanischen Atom-Sanierer bringen die katastrophale Bilanz nicht ganz freiwillig auf den Tisch. Die Clinton-Regierung hat dem DOE für „Umweltaktivitäten“ – worunter auch die Behandlung der Altlasten aus dem Kalten Krieg fällt – 30 Milliarden Dollar pro Jahr zugestanden. Schon das würde hinten und vorne nicht reichen. Der aufsässige Kongreß will das Budget jedoch noch weiter streichen – er wirft dem DOE Mißmanagement vor und sieht auch den Umfang der Sanierung nicht ein. Deshalb trat die Atombehörde die Flucht nach vorn an.
Für die nächsten Monate hat das Energie- und Atomministerium in Washington sogar noch weitere Berichte über seine Chemie- und sonstigen Industriebetriebe angekündigt. Wahrscheinlich werden dann die Prognosen der Abrüstungsforscher und anderer „Öko-Spinner“ wieder übertroffen. Allerdings kein Grund zur Schadenfreude: Reiche Länder wie die USA oder Deutschland können das Nötigste sanieren. Für die atomverseuchten Katastrophenbetriebe in Rußland, Indien oder China gilt das nicht. Aber die sind ja weit weg. Reiner Metzger
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