Asylorganisation feiert Geburtstag: Die Flüchtlings-Karawane zieht weiter
Die größte Flüchtlingsorganisation der Bundesrepublik, Karawane, feiert ihren zehnten Geburtstag. Doch die Lage von Flüchtlingen in Deutschland gibt nicht viel Grund zum Feiern.
WEIMAR taz Angefangen hat es kurz vor der Bundestagswahl 1998. Unter dem Motto: "Wir haben keine Wahl, aber eine Stimme" reisten Menschen unterschiedlicher Nationalitäten durch 44 Städte. Aus dieser ersten koordinierten bundesweiten Aktion von Flüchtlingen ist inzwischen die Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen geworden, die größte unabhängige Flüchtlingsorganisation der Bundesrepublik. In elf Städten arbeitet das Netzwerk, in dem sich hauptsächlich MigrantInnen zusammengeschlossen haben.
Ab Donnerstag feiert die Karawane mit einer viertägigen Aktionskonferenz in Weimar und Jena ihren Geburtstag. In Thüringen protestieren Flüchtlinge seit einiger Zeit gegen ihre Unterbringung in Lagern. Sie werden vom einer weiteren Flüchtlingsorganisation unterstützt, The Voice Refugee Forum Jena. Das Forum ist seit 1998 Mitglied der Karawane. Zum Geburtsprogramm der Karawane gehören eine Demonstration gegen die Flüchtlingspolitik in Thüringen, Seminare sowie Konzerte und Filme. Außerdem brechen die Teilnehmer zu einer Lagertour nach Katzhütte, Gehlberg und Apolda auf (www.thevoiceforum.org).
Im April diesen Jahres hatten die BewohnerInnen der Unterkunft in Katzhütte ihre Situation erstmals öffentlich gemacht. Sie prangerten insbesondere den Schimmel in den Zimmern an und Schikanen durch die Lagerleitung. Wasser zum Duschen gab es etwa nur zu bestimmten Zeiten. Proteste in anderen Heimen folgten. Die Karawane kämpft dafür, dass Flüchtlinge dezentral untergebracht werden.
Die Karawane-Themen sind seit Jahren aktuell: die Residenzpflicht, die den Radius der Asylsuchenden einschränkt. Nur in dem Landkreis, in dem ihre zuständige Ausländerbehörde sitzt, dürfen sie sich frei bewegen. Die Hintergründe der Wanderungsbewegungen, die der Slogan "Wir sind hier, weil ihr unsere Länder kaputtmacht" umreißt. Der Kampf gegen Abschiebungen.
Die Karawane konnte einige Erfolge erringen. In anderen, tragischen Fällen scheiterte sie. So wurde der Syrer Hussein Daoud trotz Protesten im Dezember 2000 abgeschoben und noch auf dem Flughafen vom syrischen Sicherheitsdienst festgenommen. Er saß lange in Haft und wurde Amnesty International zufolge dort gefoltert.
Seit dem Ende der Achtziger habe sich die Situation der Asylsuchenden stetig verschlechtert, berichtet Ralf Santana Lourenco von der Hamburger Karawane.
1993 hatte die Bundesregierung das Grundrecht auf Asyl eingeschränkt im Zuge des Umbaus der Europäischen Union in die Festung Europa. "Damals wurde das Menschenrecht auf Asyl in ein Abweisungs- und Abschieberecht des Staates verkehrt", kritisierte das Komitee für Grundrechte und Demokratie im Juli.
Auch die Karawane wird als Organisation oft nicht anerkannt, so weigerte sich die zuständige Landrätin, die Mitglieder als Gesprächspartner bei einem Gespräch über das Lager Katzhütte überhaupt einzuladen. "Wir werden im Grunde nicht anerkannt, allenfalls, wenn wir Druck machen", berichtet Lourenco. Das Netzwerk macht Fälle öffentlich und wehrt sich, wenn nötig, per Anwalt.
Im Fall von Mohammed Sbaih, dem Sprecher des Lagers Katzhütte, war das erfolgreich. Wegen seines Engagements drohte dem Palästinenser die Abschiebung. Nach einem Eilantrag musste die Ausländerbehörde das Verfahren stoppen. ANKE ENGELMANN
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