Schicke Denkmäler
Ehemalige Fabriken als neue Heimat für kreative Unternehmer å Alte Fabrikgebäude, die noch vor Jahren zum Abriß freigegeben waren, sind inzwischen ins Visier der Denkmalschützer gerückt. Noch bis Ende der 70er Jahre hatte den Stadtplanern die saubere Trennung zwischen Lebens- und Arbeitswelten vorgeschwebt, eine Vorstellung, von der sich heutige Stadtplanung zumindest tendenziell wieder abgewendet hat. Zudem mußten immer mehr innerstädtische Gewerbebetriebe schließen, die in der wachsenden Knappheit von Wohn- und Lebensraum schnell neue NutzerInnen fanden. Daß sich auch in Hamburg mancherorts eine Einheit zwischen den Lebenswelten entwickeln konnte, ist zunächst privaten Initiativen zu verdanken, die sich in mühsamer Kleinarbeit mit der historischen Bausubstanz und den behördlichen Vorschriften auseinandersetzten. Das soeben erschienene Heft 10 zur Hamburger Denkmalpflege beschreibt 16 ehemalige Fabriken und Gewerbehöfe, die inzwischen überwiegend von finanzstarken kreativen Unternehmern genutt werden. Das Heft umreißt vor dem Hintergrund der industriellen Vorgeschichte der Gebäude die heutige Nutzung, in die die Anliegen des Denkmalschutzes integriert sind. Um dem Heft „einen sinnlichen Erfahrbarkeitswert zu geben“, lud Kultursenatorin Christina Weiss gestern zu einer Stadtrundfahrt zu drei ausgewählten Paradeprojekten, dem Borselhof in Ottensen, dem Wohn- und Werkprojekt der ehemaligen Tütenfabrik Netzler in der Donnerstraße und der ehemaligen Tabakfabrik in der Hoheluftchaussee. Besoders in der Donnerstraße habe sich die private Initiative der Bewohnergemeinschaft für den Denkmalschutz gelohnt, betonte Volker Konerding vom Denkmalschutzamt. Doch während in der Donnerstraße noch „Durchschnittsbürger“ anzutreffen sind, ist im Borselhof und dem Objekt in der Hoheluftchaussee zwischen Werbeagenturen und Modebetrieben kein Platz mehr für weniger Zahlungskräftige. Wer in diesen Fabriketagen arbeitet, muß sich eine Wohnung in der Nähe erstmal leisten können. Vielleicht aber führt der ächste Ausflug ja zu diesem Wohnprojekt in der Hafenstraße, in dem junge Leute seit mehr als zehn Jahren für den Denkmalschutz und das Lebendige in historischen Gebäuden kämpfen. ■ jk
4.8.1992