Zeitungskorrespondent Riley
Von Mark TwainEiner der besten Männer in Washington – oder anderswo – ist RILEY, Korrespondent einer der großen Tageszeitungen von San Francisco. Riley ist voller Humor und hat eine unfehlbare Ader für Ironie, die das Gespräch mit ihm durch und durch unterhaltsam macht (solange es sich um jemand anderen dreht). Indes, ungeachtet dieser Vorzüge, die allein einen Mann befähigen, treffliche und appetitliche Artikel zu verfassen, sind Rileys Zeitungsbeiträge oft von überirdischer Feierlichkeit und phantasieloser Hingabe an versteinerte Tatsachen, die jene erstaunen und quälen müssen, die mit seinem nichtöffentlichen Charakter vertraut sind. Um diese wunderliche Sache zu erklären, sagt er, er sei von seinen Auftraggebern nach Washington entsandt, um Fakten zu liefern, nicht Schrullen, und einige Male dem Verlust seiner Stelle nahe gewesen, weil er witzige Anmerkungen habe fallenlassen, die, indem sie in Zentralredaktionen nicht erwartet und folglich nicht verstanden wurden, als dunkle, verdammte Reden aufgefaßt worden seien, mit dem Zweck, Hinweise und Warnungen an mörderische Geheimbünde zu übermitteln, oder etwas in dieser Art, und die man darum mit einem Schaudern und einem Gebet herausgetilgt und in den Ofen befördert habe. Riley sagt, das Verlangen, einen witzsprühenden, fesselnden Artikel zu verfassen, plage ihn bisweilen derart, daß er einfach nicht widerstehen könne; woraufhin er sich daher in seine Bude verfüge, um in den Freuden hemmungsloser Kritzelei zu schwelgen; sodann jedoch und mit Schmerzen, wie sie nur eine Mutter empfinden kann, meuchelt er die schönen Kinder seiner Phantasie und köchelt seinen Artikel auf das geforderte trübe Maß der Stichhaltigkeit zusammen.
20.11.2004