Wer vor zwanzig Jahren als junger Mensch etwas auf sich hielt, setzte alles daran, sich als Außenseiter, ja als Rebell, Freak oder Widerständler zu profilieren. Ein Verweigerer dieser Rollenmodelle geriet schnell in Verdacht, Spießer zu sein, Kleinbürger und Duckmäuser. Also ein Mensch, der die schlechten bestehenden Verhältnisse beschönigt und kleingeistig verteidigt: Ein modernes Schmuddelkind, mit dem niemand spielen wollte. Heutzutage wirkt das Vokabular, wirken die Ikonen des Rebellischen nur nch aufreizend und komisch. Auch deshalb, weil sich mittlerweile selbst Unternehmer oder Funktionäre der F.D.P. gerne als Barrikadenkämpfer gegen die versteinerten Verhältnisse feiern lassen – ganz ohne Ironie. Portraits, Glossen und ein Essay über den stillen Tod der klassischen Heldenfigur der siebziger Jahre ■ Von Michael Rutschky
Helmut Kohl. Er läßt sich als Kanzler der Einheit feiern. Tatsächlich aber steht er für das Gegenteil – für die dreifache Spaltung der bundesdeutschen Gesellschaft. In Arbeitsplatzinhaber und Arbeitslose, in deutsche Staatsbürger und nur schlecht geduldete Ausländer, in Ost- und Westdeutsche. Sechzehn Jahre innenpolitischer Verfall, sechzehn Jahre der immergleiche Regierungschef. Das soll Demokratie sein? Die Wahl am 27. September könnte die festen Strukturen der deutschen Politik aufbrechen – wenn er Wähler auf das Sicherheitsnetz „Große Koalition“ verzichten will. Zeit für eine Bilanz ■ Von Christian Semler
■ In der Bochumer Jahrhunderthalle startet heute das "Ruhrwerk": ein städtisch gefördertes Drei-Millionen-Spektakel nach der Skizze von Brecht und Weill zu einer Industrie-Revue
In Berlin und anderswo wird derzeit eifrig abgeschoben. Hunderttausend Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien sollen noch dieses Jahr zurück, lautet das Plansoll der Bundesregierung. In was für ein Land aber die Flüchtigen zurückkehren, darüber herrscht wenig Klarheit. Zumindest eines steht fest: Die Zurückgebliebenen, die den Krieg ausgehalten haben, wollen die jetzt eintreffenden Menschen nicht. Die ethnischen Mehrheiten die Minderheiten schon gar nicht. Ein Dossier über die Unmöglichkei der Heimkehr ■ Aus Sarajevo und Mijace Erich Rathfelder
■ Vor zwei Monaten gab die Rote Armee Fraktion ihre Auflösung bekannt. Die Geschichte des bewaffneten Kampfes gegen die Bundesrepublik ist damit noch längst nicht erledigt. Auch weil die Erklärung viele Fragen offenließ. Karl-Heinz Dellwo, ehemaliges RAF-Mitglied, beginnt sie im Gespräch mit Petra Groll zu beantworten.
■ Hans-Jochen Tschiche sieht das bisherige Bündnis 90 am Ende. Die Perspektive eines Neuanfangs liegt in den Großstädten. Es dauert jedoch vier bis acht Jahre, bis sich eine Basis neu gebildet hat
Der vor einer Woche gefeuerte russische Ministerpräsident Tschernomyrdin kündigt seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen im Jahre 2000 an ■ Aus Moskau Barbara Kerneck
Daniel Libeskind gehört zu den prominentesten Architekten der Gegenwart. Seit er 1988 den Wettbewerb für den Bau des Jüdischen Museums gewann, hat er in Berlin ein eigenes Büro eröffnet und beteiligt sich so intensiv wie kritisch an der Debatte um die Gestaltung der neuen Hauptstadt. Im Interview gibt er Einblick in seine persönlichen Erfahrungen und Ansichten, die sich in all seinen spektakulären Entwürfen wiederfinden lassen. Das Gespräch führten ■ Harald Fricke und Andrea Goldberg
Schwere Überflutungen bringen Kenia und Tansania an den Rand des Kollapses. Wenn der grenzüberschreitende Handel zusammenbricht, leidet ganz Ostafrika ■ Von Dominic Johnson