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Armenien: ZK hat hat einen Monat Zeit

■ Laut TASS hat Gorbatschow mitgeteilt, eine der nächsten ZK-Sitzungen werde Methoden „für eine konkrete Lösung“ des Nationalitätenproblems erarbeiten / Am Freitag noch 1,5 Millionen Demonstranten / Jetzt warten die Armenier ZK-Entscheidung ab

Moskau (ap/afp/rtr) – In Eriwan, der Hauptstadt der Sowjetrepublik Armenien, ist am Samstag nach tagelangen Massendemonstrationen wieder Ruhe ein gekehrt. Offenbar hat ein Aufruf des sowjetischen Parteichefs Michail Gorbatschow am Freitag an die Bevölkerung Armeniens, Ruhe und Zurückhaltung zu wah ren, gefruchtet. Nach Berichten der sowjetischen Nachrichtenagentur TASS habe Gorbatschow mitgeteilt, daß sich das KPdSU- Zentralkomitee auf einer seiner nächsten Sitzungen den Beziehungen zwischen den mehr als 100 Nationalitäten in der UdSSR widmen und Methoden „für eine konkrete Lösung“ der gesellschaftlich- wirtschaftlichen, kulturellen und anderen Probleme erarbeiten werde. In Eriwan hatten in den letzten Tagen Hunderttausende für den Anschluß der autonomen Region Bergkarabach an Armenien demonstriert. Das KPdSU- Zentralkomitee hatte Anfang Februar entsprechende Forderungen abgelehnt, worauf es in den vergangenen zwei Wochen zu Demonstrationen kam, an denen sich am Freitag annähernd 1,5 Millionen Menschen beteiligt haben sollen. Der aus Moskau in die armenische Hauptstadt entsandte KP- Spitzenfunktionär Wladimir Dolgich bestätigte, daß es bei Ausschreitungen zwischen Aserbeidschanern und Armeniern in Bergkarabach Tote gegeben hat. Über die Zahl der Opfer machte er keine Angaben. Die Bevölkerung Bergkarabachs setzt sich nach amtlichen Angaben zu 75 Prozent aus Armeniern zusammen, das Gebiet gehört aber seit 1923 zur Sowjetrepubklik Aserbeidschan.

Die Symbolfigur des Unabhängigkeitskampfes der sowjetischen Armenier, Parouir Airikian, zeigte sich zufrieden über die Art und Weise, in der die Protestkundgebungen in Eriwan am Samstag beendet wurden. In einem Telefongespräch mit afp erklärte der Aktivist am Samstag in Eriwan, eine „gewaltsame Beendigung der Demonstrationen hätte eine Niederlage sowohl für die Politik der Perestroika als auch für die armenische Bewegung bedeutet“. Er unterstütze die Entscheidung des Organisationskomitees, die Protestaktionen für die Rückgliederung der Autonomen Region Nagorny Karabach aus der Sowjetrepublik Aserbeidschan an die Armenische Sowjetrepublik bis zu einer Entscheidung des Kremls einzustellen.

Das sowjetische Fernsehen, das die Unabhängigkeitsbestrebungen der Armenier bisher mit keinem Wort erwähnt hatte, berichtete am Samstag abend estmals über das Ende der Protestwelle. In den Unternehmen Armeniens sei normal gearbeitet worden, hieß es lakonisch.

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