: Neuer Chef nach der Sanierung
OPER Der Nachfolger von Jürgen Flimm auf dem Intendantenstuhl der Staatsoper steht fest. Es ist Matthias Schulz aus Salzburg
Jürgen Flimm geht. Sein Vertrag als Intendant der Staatsoper war ursprünglich auf fünf Jahre befristet. Er wird ihn erfüllen, bis 2018 die Sanierung Unter den Linden abgeschlossen ist. Der heute 74 Jahre alte, leidenschaftliche Theatermann geht nicht im Zorn. Ruhig und selbstbewusst wie immer hat er auch seine Nachfolge geregelt. Neuer Intendant wird Matthias Schulz, den Flimm schon in seiner Zeit als Leiter der Salzburger Festspiele kennen gelernt hat.
Kein Theatermann
Ein Theatermann allerdings ist Schulz (38) nicht. Er hat Klavierspielen gelernt, in München Volkswirtschaft studiert. Erfolgreich war er dann als Manager. Unter Flimms Salzburger Intendanz war er für die Konzerte zuständig, heute ist er kaufmännischer Geschäftsführer und künstlerischer Leiter der Stiftung Mozarteum in Salzburg.
Schulz kommt schon nächstes Jahr nach Berlin und wird den Umzug ins Stammhaus organisieren. Ein Aufbruch zu neuen künstlerischen Ufern Unter den Linden ist nicht zu erwarten. Das Herz der Staatsoper ist Daniel Barenboim und die Staatskapelle. Unter seiner Leitung hat das Orchester eine Klangkultur entwickelt, die ihresgleichen sucht.
Jürgen Flimm hatte das verstanden, und musste niemandem irgend etwas beweisen, als er 2010 die Intendanz übernahm, mitten in der größten Krise des Hauses seit dem Mauerfall. Sein Vorgänger Peter Mussbach hatte sich mit Barenboim überworfen und einen programmatischen Trümmerhaufen hinterlassen.
Kaputt war auch noch die Bühnentechnik aus den Zeiten der DDR. Die Sanierung war beschlossen (nach wüstem Streit um den Baustil), Flimm zog in das Schillertheater an der Bismarckstraße um und räumte auf. Er gab seinem genialen Generalmusikdirektor Raum zur Entfaltung. Freundschaftlich und kollegial machten die beiden alten Männer – Daniel Barenboim ist 73 Jahre alt –, das Schillertheater zu einer der attraktivsten Adressen der Berliner Kultur.
Barenboim, dessen Vertrag noch bis 2022 läuft, sagte auf der Pressekonferenz am Mittwoch: „Es ist meine Hoffnung, dass Herr Schulz meinen Nachfolger findet – und nicht Herr Flimm, der nur noch drei Jahre bleibt.“
Barenboim spielte an der Bismarckstraße nicht nur das Standardrepertoire, sondern auch Berg, Boulez oder Prokofiew so grandios, dass sich Publikum und Presse vor Begeisterung überschlugen. Bescheiden sorgte Flimm für die nötigen Regisseure. Meistens gelang ihm das. Für die Zeiten ohne Barenboim (der Maestro reist mit seinem Orchester um die ganze Welt) holte er zunächst bewährte Inszenierungen der Salzburger Festspiele nach Berlin, später folgten einige durchaus bemerkenswerte eigene Neuproduktionen.
Eigene Zeichen setzte er aber vor allem in der sogenannten „Werkstatt“, dem hässlichen Seitenflügel des Schillertheaters, in dem einst auch Samuel Beckett gearbeitet hatte. Daran knüpfte Flimm an. Junge Künstlerinnen und Künstler stellen hier ihre neuen Ideen für das Theater und die Musik vor. Von Anfang an sollte zum Ende jeder Saison ein „Infektion!“ genanntes Festival diese beharrliche Arbeit an der Zukunft über Berlin hinaus bekannt machen. Er selbst, sagte Flimm zur Eröffnung, verstehe vom Musiktheater der 21. Jahrhunderts „rein gar nichts“. Eben deshalb aber halte er dieses Festival für notwendig.
So ist er, souverän, herzlich und weltoffen. Daniel Barenboim gab seine Verpflichtungen an der Mailänder Scala auf, weil er in Berlin sein Lebenswerk vollenden wolle, wie er sagte. Auch das haben wir wahrscheinlich Jürgen Flimm zu verdanken. Matthias Schulz wird keine neue Diskussion um die drei Berliner Opern auslösen. Keine ist zu viel, die Staatsoper hat ihre Rolle gefunden. NIKLAUS HABLÜTZEL