: Sonntags einkaufen, immer?
KAUFWAHN Ladenöffnungszeiten an Sonn- und Feiertagen sind umstritten. Die Kirchen klagen dagegen. Gleich zu Beginn des Advents entscheidet nun das Bundesverfassungsgericht darüber
Ja
Hans-Olaf Henkel, 69, ist ehemaliger Manager und war Präsident des BDIIch lege zwar keinen Wert darauf, sonntags einzukaufen, würde ein solches Angebot aber trotzdem nutzen.
Bisher werden schon Millionen Polizisten oder Kellner dazu gezwungen, Sonntag zu arbeiten – warum sollten Verkäuferinnen es nicht freiwillig dürfen? Als ich bei IBM die freiwillige Sonntagsarbeit einführte, wollten mehr Leute arbeiten, als ich Plätze hatte. Einen Zwang halte ich aber für falsch, denn als Familienvater hätte ich auch ungern sonntags gearbeitet.
Sonntagsarbeit ist aber nur deshalb so attraktiv, weil sie steuerlich begünstigt wird: Die Beschäftigten verdienen mehr, und der Arbeitgeber wälzt die Kosten auf den Staat ab. Der wird hier um Milliarden betrogen. Ich fordere deshalb, dass der Zuschlag abgeschafft und die Sonntagsarbeit erlaubt wird. So würden die Steuerzahler entlastet und neue Arbeitsplätze geschaffen werden – aber eben nur für diejenigen, die Spaß daran haben.
Harald Glööckler hält sein Alter geheim und ist Gründer des Modelabels PompöösIch komme gerade aus London zurück: Dort gibt es Läden, die sieben Tage die Woche 24 Stunden geöffnet haben. Und da frage ich mich, warum es bei uns immer einen riesigen Aufschrei über den heiligen Sonntag gibt?
Als Unternehmer sollte man die Wahl haben, sonntags zu öffnen oder nicht. Dann können die Arbeitnehmer entscheiden, ob sie in so einem Betrieb arbeiten wollen. Schließlich geht es jemandem, der im Krankenhaus arbeitet, auch nicht anders. Ich selbst verkaufe ja am Sonntag meine Kreationen im Fernsehen und merke, dass ich da nicht weniger verkaufe. Im Gegenteil.
Natürlich gibt es Menschen, die dadurch benachteiligt werden. Aber für viele andere ist der Sonntagsverkauf eine Chance. Manche können gerade am Wochenende gut einkaufen gehen, weil Verwandte, die unter der Woche arbeiten, dann auf die Kinder aufpassen können. Andere Menschen, die in Armut leben, würden sich darüber freuen, dass sie überhaupt Arbeit haben.
Karl-Peter Naumann, 59, ist Vorsitzender vom Fahrgastverband Pro BahnUnbelebte Bahnhöfe verunsichern die Reisenden. Spätabends oder am Sonntagmorgen, wenn sonst kaum jemand verreisen will und sich auf dem Bahnhof tummelt, kann man mancherorts schon schnell ein mulmiges Gefühl bekommen. Und dann tauchen da womöglich noch zwei so merkwürdige Typen auf. Was ist, wenn?, geht es dem Reisenden da schnell durch den Kopf.
Der Reisende würde sich viel sicherer fühlen, wenn da noch ein paar andere Menschen herumlaufen würden, so wie unter der Woche.
Ein belebter Bahnhof erhöht die subjektive wie auch die objektive Sicherheit und schützt vor Vandalismus. Warum bitte sollte man diesen kostenlosen Sicherheitsgewinn aufs Spiel setzen, indem man die Ladenöffnungszeiten begrenzt? Immer heißt es, mehr Verkehr soll auf die Schiene, schon allein aus Umweltgründen. Warum dann den Zugang erschweren? Es kommen am Sonntag auch Leute zum Einkaufen zum Bahnhof, die einmal Bahnkunden werden könnten.
Stephanie Seidel, 37, taz.de-Leserin, stellte ihren Beitrag ins NetzFehlende Erholung und ungenügendes Sozialleben hat nichts damit zu tun, dass an Sonn- und Feiertagen gearbeitet wird, sondern dass allgemein viel zu viel gearbeitet wird. Man sollte von 30 Stunden Arbeit gut leben können statt von 40 schlecht. Dann wäre locker Zeit für die Familie.
Auch die, die bis zu 60 Stunden machen müssen, arbeiten häufig in Zusammenhängen, in denen sie sonntags freihaben. Aber was nützt ihnen, dass es der Sonntag ist? Davon sind sie nicht erholter oder gesünder.
Nein
Margot Käßmann, 51, ist Ratsvorsitzende der Evangelischen KircheDer Sonntag ist eine heilsame Unterbrechung des Alltags. Wir brauchen eine solche Unterbrechung all des Rennens, Besorgens und Schaffens, wir brauchen einen Rhythmus von Arbeits- und Feiertagen, damit unsere Gesellschaft nicht einem kollektiven Burn-out unterliegt.
Wenn wir die Sonntage dem Alltag gleichmachen und alle Geschäfte öffnen, dann gibt es nur noch den Gleichklang von sieben Werktagen. Auch jetzt müssen viele Menschen am Sonntag arbeiten: in den Krankenhäusern und Altenheimen, bei der Feuerwehr, in den Verkehrsbetrieben und Ähnlichem. Aber bei den Ladenöffnungszeiten haben wir die Wahl.
Unsere Gesellschaft lebt auch davon, dass Menschen aus unterschiedlichen Zusammenhängen Zeit miteinander verbringen können: im Gottesdienst, bei Aktivitäten im Sportverein, bei Dorf- und Stadtteilfesten, bei Kulturveranstaltungen. Deswegen setzt sich die evangelische Kirche dafür ein, dass möglichst viele Menschen sagen können: Gott sei Dank – es ist Sonntag.
Bernd Ohlmann, 49, vertritt den bayerischen EinzelhandelsverbandVerkaufsoffene Sonntage tragen zur Belebung der Innenstädte bei und binden zusätzliche Kaufkraft. Die Erfahrungen zeigen, dass solche Tage für die Kunden und Besucher ein ganz besonderes Einkaufserlebnis sind. Diese Möglichkeit zum Bummeln, Flanieren und Einkaufen wird gerade von Familien gern genutzt. Dennoch wollen wir in Bayern keine weiteren verkaufsoffenen Sonntage. Die bisherige Praxis, nämlich bis zu vier verkaufsoffene Sonntage (allerdings nicht im Dezember!) zu erlauben, hat sich bewährt. Großzügigere Regelungen bei verkaufsoffenen Sonntagen wie in anderen Bundesländern streben wir nicht an.
Der Sonntag ist ein Tag der Unterbrechung des Alltags. Unsere Gesellschaft braucht verbindliche Zeiten für Ruhe und Entspannung. Ich bin deshalb gegen eine generelle Sonntagsöffnung. Einzige Ausnahme sollten vier, an Auflagen geknüpfte verkaufsoffene Sonntage sein.
Peggi Liebisch, 46, ist Geschäftsführerin vom Alleinerziehenden-VerbandDie Ausweitung der Ladenöffnungszeiten unter der Woche hat für Alleinerziehende schon zu vielen Schwierigkeiten geführt. Viele Mütter brauchen plötzlich Kinderbetreuung bis 22 Uhr, das kann keine öffentliche Kita bieten. Also muss seitdem Kinderbetreuung privat organisiert und finanziert werden.
Jetzt auch noch am Sonntag die Läden zu öffnen, geht zu weit und bleibt fast ausschließlich an den Frauen und Müttern hängen. Denn sie sind es, die zu über 90 Prozent in den typischen unterbezahlten Frauenberufen arbeiten: Verkäuferinnen, Friseurinnen und Reinigungspersonal. Und wo sollen die Kinder am Sonntag hin?
Abgesehen davon, dass es dafür überhaupt keine Infrastruktur gibt, ist der Sonntag mittlerweile der einzige Tag in der Woche, an dem Familien ohne Zeitdruck etwas gemeinsam unternehmen können. Gemeinsam frühstücken und nachmittags in den Park, den „Tatort“ gucken, Pizza essen. Es reicht doch, wenn alle in der Adventszeit sonntags shoppen gehen können.
Thomas Stegmaier, 29, ist taz.de-Leser und stellte seinen Beitrag ins NetzIch arbeite zurzeit in England, wo Supermärkte am Sonntag aufhaben. Das macht mich aber nur bequemer. Ich denke am Samstag weniger nach, ob ich auch alles habe. Ich denke, wir sollten einen Tag haben, wo die allermeisten tatsächlich ruhen. Das ergibt auch eine „Atmosphäre der Ruhe“, die einen daran erinnert, dass ein Mensch so etwas braucht. Es ist einfach ein gesunder Rhythmus, wie Tag und Nacht. Wer Kinder hat, sieht, dass die das brauchen. Und ich denke, das tut auch Erwachsenen gut!