: Nazi aus Versehen
RTL schmeißt DJ Tomekk wegen eines Hitlergrußes aus dem Dschungelcamp – zu Recht? Der gebürtige Pole entschuldigt sich indes für sein „dummes Witz-Gelaber und den niveaulosen Humor“
VON JAN FEDDERSEN
Inzwischen hat DJ Tomekk folgendes Statement zur Sache abgegeben: „Hi, hier ist DJ Tomekk, ich bin sehr betroffen von dem Video, das ich gerade gesehen habe. Keinerlei rechtes Gedankengut oder nazistische Ideen trage ich in mir. Im Gegenteil: Ich bin ein Pole, der in Berlin wohnt, mit einem polnischen Pass. Ich stehe für Integration und Zusammenhalt der Kulturen. Mein dummes Witz-Gelaber tut mir unendlich leid. Für alle Leute, die sich davon betroffen fühlen: es tut mir unheimlich leid, es tut mir leid, es tut mir leid, es tut mir leid! Sorry, Sorry, Sorry! Hiphop bedeutet für mich den Zusammenhalt von Schwarz und Weiß und aller anderen Kulturen. Im Moment bin ich tief erschüttert und entschuldige mich für meinen niveaulosen Humor. Und alles weitere dann in Deutschland: Peace, meine Brüder und Schwestern!“
Also: Er wusste nicht, was er tat. Eigentlich macht ihn das nur noch kredibler.
Wie schade, dass wir ihn missen müssen. RTL sagte ja nix, nur, mitgeteilt durch die Zeremonienmeister Dirk Bach und Sonja Zietlow, dass man ihn habe aus der Show nehmen müssen. Als sie dies zum Auftakt des zwölften Livetages ihrer Dschungelshow sagten, war dabei längst ruchbar, dass sich DJ Tomekk eines in Deutschland immer noch krassen Vergehens schuldig gemacht hat: Er hob den rechten Arm zum Hitlergruß, soll dabei die erste Strophe des Deutschlandliedes gesungen haben. Irgendjemand filmte mit – und schickte das Video an Bild.
Nein, das ging offenbar gar nicht mehr: ein Hitlergruß, selbst wenn er ironisch gemeint sein sollte – das passt niemals zu einem Sender, der auf starkes Publikumsinteresse setzen muss und also auf Quote. RTL hat reagiert auf eine Tat, die in Deutschland als so sehr bleiern, uncool, daneben und schlimm gilt wie eben jede, und sei sie noch so flachsig, abtuend und keineswegs ernsthaft gemeinte Geste, die im allerweitesten Sinne als nazigewogen durchgehen könnte. Nun sind etliche Schlüsse aus diesem „Entertainmentskandal“ zu ziehen. In Deutschland geht Nazi gar nicht. Niemals und auf ewig nicht. Ist schlimm. Politisch, ästhetisch, kulturell, unterschichtstrashig peinlich. Jeder muss wissen, dass jede semiotische Andeutung mindestens fünf Tanklaster Tränen der Empörung und der Wut und des Abscheus provoziert. Sowie Solidaritätserklärungen von Zentralräten, Gewerkschaftskreisen, Zirkeln der Opfer und Vereinen der Auchbetroffenheit in allgemeiner Hinsicht.
Kommen wir aber mal wieder down to earth, zurück zu einem Menschen, der Tómasz Kuklicz heißt und am 11. Oktober 1976 geboren wurde – in Krakau. Aufgewachsen in Berlin-Wedding, machte dieser Mann als DJ Tomekk in der weiten Welt des großmäuligen Jungstums Karriere, konnte es mit den dicken Hosen aus Amerika aufnehmen und wurde 1994 als erster Nicht-Ami für den „1st Annual Rap Music Award“ nominiert. Sein Motto dabei: Das Leben ist kurz, und er wolle nie den Kürzeren ziehen. So ging er auch in die Dschungelshow – auf dem vorläufigen Tiefpunkt seiner Karriere.
Aber weshalb hätte er sein Verhalten, das in seiner Szene üblich ist, vergessen sollen? Nur weil er im Unterschichten-Mainstream-TV ist? Quasi nicht im Nischenspartenkanal, nicht in Berlin-Mitte, sondern da, wo das wahre Leben abgeht? Wo nicht Freunde applaudieren für müde Scherzlein, sondern eine Zuschauerschaft, die nur angenehm ausgerüstet langsam in den Schlaf möchte? Außerdem, wir bitten Sie!, DJ Tomekk kommt aus Krakau – der zweitplaniertesten Stadt des Zweiten Weltkriegs. So einer soll die Nazis ernsthaft gut finden?
Es möge Schluss sein mit den Skandalisierungen um Nazigesten. Und die RTL-Entscheidung, den niedlichsten, im Grunde: aufrechtesten Mann dieses Showformats aus der Show zu nehmen, macht uns betroffen. Kein geölter Geist, kein parfümiertes Männlein, sondern ein krasses Mannsstück, das leider die Klaviatur der erlaubten Kultursignaltasten in der Bundesrepublik nicht perfekt beherrschte. DJ Tomekk mag uns der Beweis sein: 75 Jahre nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland darf über den Führer, darf über Goebbels und all das Nazigeschwurbel gelacht und gelästert werden. Nichts spricht dagegen, mit der Nazikeule nicht mehr jeden ideologisch erschlagen zu dürfen, wenn der einem gerade nicht passt. Denn Nazi ist nicht, wer einen Führergruß nachstellt. Da gehört erheblich mehr dazu.