Aus Angst wird weniger telefoniert

Umfrage, die Kritik an Vorratsdatenspeicherung stützen soll, belegt irrationale Ängste

FREIBURG taz ■ Der Berliner Rechtsanwalt Meinhard Starostik geht davon aus, dass „Millionen von Bürgerinnen und Bürgern“ seit Jahresbeginn ihr Kommunikationsverhalten geändert haben. Das sei die Folge der Vorratsdatenspeicherung, gegen die Starostik im Namen von 30.000 Bürgern Verfassungsbeschwerde eingereicht hat. Starostik legte nun den Karlsruher Richtern 70 Aussagen von Journalisten, Anwälten, Sozialberatern und sonstigen Bürgern vor, die die Einschränkungen belegen sollen.

Ein Rollstuhlfahrer schreibt zum Beispiel: „ich kann nur die rechte hand bewegen, sprechen kann ich auch nicht, internet und sms sind die einzigen Möglichkeiten zur Kommunikation, die ich habe. die vorstellung, dass jedes Wort von mir gespeichert wird, wirkt so was von abschreckend und frustrierend auf mich.“ Viele Berichte handeln davon, dass man Telefon und Internet kaum noch benutze und heikle Gespräche lieber persönlich führe. Teilweise verursache dies große Umstände, Informanten und Kunden gingen verloren.

Die Aussagen beruhen auf einer Umfrage, die der von Bürgerrechtlern getragene AK Vorratsdatenspeicherung unter den Unterstützern der Verfassungsbeschwerde durchgeführt hat. Fast alle Befragten scheinen davon auszugehen, dass der Staat jederzeit auf die gespeicherten Daten zugreifen kann. Laut Gesetz ist allerdings der Verdacht einer Straftat erforderlich. Außerdem wird oft angenommen, dass auch die Inhalte der Telefonate und E-Mails gespeichert werden. Tatsächlich werden nur die Verbindungsdaten registriert („wer mit wem, wo, wie lange“). Das Abhören von Inhalten ist – wie seit Jahrzehnten – nur bei konkretem Verdacht möglich.

Anwalt Starostik räumt ein, dass viele Berichte eher „irrationale“ Befürchtungen beschreiben. Solche Ängste seien jedoch „direkt durch das Gesetz bedingt“. Es ist aber fraglich, ob das die Verfassungsrichter auch so sehen. Immerhin ist es der AK Vorrat, der von einer „Totalprotokollierung“ spricht. Auf einem seiner Mobilisierungsplakate steht: „Flirten, lästern, tratschen … und alles wird protokolliert“. Die Umfrage ist also eher ein Beleg dafür, welche Folgen die übertriebene Öffentlichkeitsarbeit der Kritiker haben kann.

CHRISTIAN RATH