: berliner szenen Im ICE (3)
Hertha regiert
„Ihre Bahncard bitte,“ sagt der Schaffner im ICE aus Hamburg nach Berlin, und ich weiß, jetzt geht das Ganze wieder los. Ich hole meine Bahncard heraus, mein Freund fängt an zu grinsen. Er weiß auch schon, was jetzt kommt: Der Schaffner wirft einen Blick auf meine Bahncard, die blau-weiß statt rot-weiß ist, lächelt spöttisch und auch ein bisschen mitleidig. „Hertha-Fan, was? Wenn die mal nicht absteigen“, sagt er und knipst in meine Fahrkarte. Aber statt weiter den Wagen entlangzuziehen, setzt er sich auf die Armlehne des Sitzes mir gegenüber und seufzt: „Pantelic.“ Ich schaue ihn fragend an. „Mit dem haben sie ja einen Guten“, sagt er. Ich nicke. „Ach und der Favre, der is ja ’n ganz Ruhiger, oder?“ Er schaut erst mich hoffnungsvoll an, dann meinen Freund, der mit dem Lachen kämpft, und steht dann etwas enttäuscht auf.
Vor einem halben Jahr fing es an. Da habe ich mir eine Hertha-BSC-Bahncard gekauft. Die ist sechs Monate gültig und verfügt über die selben Vergünstigungen wie eine Bahncard 25. Der große Unterschied zur Bahncard 25 besteht darin, dass sie sich pro Auswärtssieg von Hertha BSC in der Hinrunde der Bundesligasaison 2007/08 um einen Monat verlängert hat. Da ich weder ein großer Fußball- noch ein Hertha-Fan bin, musste ich in den letzten sechs Monaten viele Schaffner enttäuschen, die mit mir über Fußball reden wollten. Die meisten Schaffner scheinen Experten auf diesem Gebiet zu sein. Angeblich hat Hertha in seiner Vereinsgeschichte noch nicht sehr oft in der Hinrunde auswärts gewonnen. Daher hat sich meine Bahncard auch nur um einen Monat verlängert. Sie läuft Ende Februar ab. Am Ende des Gangs höre ich den Schaffner leise singen: „Wir würden nie zum FC Bayern gehen …“ MAREIKE BARMEYER