: Eine Beziehung auf Eis
Die Hamburg Freezers sind ein Eishockey-Team, das zu einem internationalen Entertainment-Konzern gehört. Das mag für die Arbeit der Sportler keine Auswirkungen haben, für die Fans aber ist es schwierig, einen Club zu lieben, der eine Firma ist. Umso mehr, wenn der sportliche Erfolg ausbleibt
Noch im Januar steckten die Freezers in der größten Krise ihrer fünfeinhalbjährigen Geschichte. Trotz ihres üppigen Etats hatte das Team ein Spiel nach dem anderen verloren, ließ jeglichen Teamgeist vermissen und produzierte neben den lustlosen Auftritten auf dem Eis Negativ-Schlagzeilen durch Äußerungen frustrierter Spieler. Die Wende beim Spiel gegen die Eisbären Berlin am 17. Februar kam selbst für Trainer Bill Stewart völlig überraschend. Danach gewann das Team sechs Spiele in Folge und schaffte am Mittwoch durch einen 2:1-Erfolg gegen Hannover den Sprung auf Platz neun.
Nun stehen in der Hauptrunde noch zwei Spiele aus, am heutigen Freitag auswärts gegen Straubing und am Sonntag um 14.30 Uhr zu Hause gegen Augsburg. Danach müssen die Freezers in der Tabelle mindestens auf Platz zehn stehen, um sich für die Pre-Play-Offs zu qualifizieren. Dabei werden unter den Clubs auf den Rängen sieben bis zehn zwei Teams ausgespielt, die an den Play-Offs teilnehmen dürfen. Die Play-Offs nicht zu erreichen, wäre für die Freezers ein riesiges Problem. Bei den Play-Offs bereits gesetzt sind die Clubs, die nach der Hauptrunde auf den Rängen eins bis sechs stehen. KLI
VON KLAUS IRLER
Es war eine bezeichnende Szene, und sie spielte sich ausgerechnet an jenem Nachmittag ab, an dem die Fans nach kargen Monaten endlich mal wieder Grund zum Jubel hatten: Völlig überraschend führten die Hamburg Freezers zu Hause in der Color-Line-Arena gegen die Eisbären Berlin. Sie spielten wie verwandelt, und der Hallensprecher sagte, in der Pause werde der Torwart Jean-Marc Pelletier am Freezers-Fanartikel-Stand Karten für die nächsten Heimspiele verkaufen.
Tatsächlich stand Pelletier hinter dem Verkaufstresen, aber anstatt Karten zu verkaufen, gab er jungen Fans Autogramme. „Verkaufen! Er soll verkaufen!“ ruft da ein Mann im Anzug dem Personal am Stand zu. Pelletier aber gibt weiter Autogramme und bewahrt damit die kleinen Fans davor, ein Problem mit ihrer Leidenschaft zu bekommen – ein Problem, das der große Fan Olaf so auf den Punkt bringt: „Die Freezers sind eine Firma, die nach wirtschaftlichen Maßstäben geführt wird. Die haben kein Verhältnis zu den Fans.“
Olaf, 52, sitzt an diesem Abend in der Hamburger Sportkneipe „Pö a Pö“, er hat einen langen weißen Bart, Ohrringe, trägt ein funkelndes Kreuz über einem Freezers-T-Shirt und hat ein Tattoo mit dem Freezers-Logo auf dem Oberarm. Er ist einer, der die Freezers-Geschichte von Anfang an miterlebt hat. Der sogar noch länger dabei ist als Ecki, der Administrator des unabhängigen Freezers-Fanforum, dessen Frau Sevim und Hans und Kerstin. Sie alle sind aktive Fans, machen sich Gedanken, wie es um die Freezers steht und sagen nach diesem Abend: „Bis morgen. Wir lesen uns.“ Und zwar im Fanforum, einem beliebten Ort für Freezers-Fans.
Dabei ist der Sport, das Geschehen auf dem Eis, nur die eine große Frage. Die andere ist, wie sich die Fans von ihrem Club behandelt fühlen. Wie sich die Geschäftsführung anstellt und ob man eigentlich nächste Saison noch mal eine Dauerkarte kaufen soll, wenn weder die sportliche Leistung noch der Umgang der Firma mit ihren Fans Argumente dafür liefern. Der Frust ist groß: „Man will eingebunden werden, ernst genommen werden als Fan“, sagt der 41-Jährige Ecki. Und Hans, 47, sagt: „Wir wollen keine normalen Kunden sein, sondern Mitsprache haben.“
Aber das ist schwierig. Die Freezers nämlich sind kein Verein, in dem sich Mitglieder auf einer Mitgliederversammlung zumindest artikulieren können. Die Freezers gehören der amerikanischen Anschutz Entertainment Group, die weltweit Sportteams und Arenen besitzt. In Deutschland gehören der Firma die beiden Teams Hamburg Freezers und Eisbären Berlin. Außerdem hat sie in Hamburg die Color-Line-Arena gekauft und ist in Berlin gerade dabei, eine Mega-Halle namens „O2-World“ zu bauen.
Genau genommen sind die Freezers ja eigentlich auch die München Barons, die die Anschutz Entertainment Group im Sommer 2002 von der Isar an die Elbe verpflanzte. Hamburg, so das Ziel der Investoren, sollte Eishockey-Stadt werden. Eine große Rolle bei dieser Idee spielte die Color-Line-Arena: Die wurde im November 2002 fertig, bietet knapp 13.000 Eishockey-Fans Platz und war als eine der modernsten Multifunktionshallen Europas anfangs für viele ein zusätzliches Argument, ein Spiel der Freezers zu besuchen.
Und für die lief es gut, gerade am Anfang: Im Schnitt waren es knapp 11.000 Besucher, die die Heimspiele der Mannschaft in ihrer ersten Saison 2002 / 2003 sahen. Die Medien stiegen ein, die Sponsoren auch, und Olaf sagt: „Am Anfang gab es noch keine Schals. Dann kam der Meister Köln, und wir haben gewonnen. Das war die Hölle. Ich hatte drei Tage keine Stimme mehr.“
Hamburg hatte auf einmal ein Team in der Eishockey-Bundesliga – und eine beachtliche Zahl Eishockey-Begeisterter, die Spaß hatten, sich gegenseitig zu finden. „Es war wie ein Virus“, sagt Ecki. „Wir waren nachts um vier an der Halle gestanden, wenn es um 10 Uhr Karten gab.“ Die Fans designten ihre Fahnen selbst, die Spieler kamen nach dem Match in die Gaststätte der Arena. „Das waren Spieler, mit denen du dich identifizieren konntest“, sagt Sevim. Aber jetzt, sagt Hans, „hat die Mannschaft keinen Kontakt mehr zu den Fans. Die spielen nur noch für sich.“ Und das, zumindest bis Mitte Februar, auch noch ohne Kampfbereitschaft und ohne Teamgeist.
Wahrscheinlich ist es so, dass die Verstimmung der Fans kleiner wäre, wenn das Team erfolgreich spielen würde. Wahrscheinlich würden die Fans auch einem zumindest kämpfenden Team vieles verzeihen. Aber statt des versprochenen Platzes unter den ersten Vier geht es für die Freezers nun darum, den zehnten Rang zu erreichen, um wenigstens an den Pre-Play-Offs teilnehmen zu dürfen (siehe Kasten).
Tatsächlich ging so wenig in dieser Saison, dass selbst die Serie von zuletzt sechs siegreichen Spielen bei vielen Fans keinen Eindruck mehr machte. Nein, die Fans sind nachhaltig vergrätzt. Ihre Leidensbereitschaft scheint eine andere zu sein als bei einem Traditionsverein – die Freezers sind als Firma mehr auf Erfolg angewiesen, wenn sie ihre Fans als Kunden halten wollen. Nun liegt der Schnitt in dieser Saison bei 8.750 Zuschauern pro Heimspiel. Und Olaf sagt mit Blick auf sein Tattoo und einem schelmischen Grinsen: „Leider kriege ich den Kram nicht mehr ab. Aber immerhin waren von den fünf Jahren bisher drei Jahre schön.“
Atmosphärisch kam für Ecki der erste Einschnitt im Jahr 2005, als die Freezers-Geschäftsführung das Fan-Forum auf der Website geschlossen hat. Mit der Begründung, im Forum würden illegalerweise Freezers-DVDs getauscht, konnten die aktiven Fans nichts anfangen. Ecki gründete ein unabhängiges Fanforum. Weil es eine Fangemeinschaft ohne Austausch nicht gibt. Und weil es einiges zu diskutieren gab: Zum Beispiel welche Rolle eigentlich Freezers-Geschäftsführer Boris Capla für das Schicksal des Vereins spielt. Und wie die Geschichte um Alan Letang zu bewerten ist: Dem erkrankten Verteidiger sollte bis zu seiner Genesung ein Platz in der Mannschaft freigehalten werden, aber statt einer Rückkehr gab es öffentliche Äußerungen Letangs, in denen er der Geschäftsführung Unehrlichkeit und Vertrauensbruch vorwarf und sich schließlich nach Nürnberg verabschiedete, zu den Ice Tigers. „Capla, deine Zeit ist um“, schrieben die Fans im Januar auf Transparente, und: „Lügen haben kurze Beine“ – es waren massenhafte Proteste mit vielen Schildern. Szenen wie aus dem Präsidentschafts-Wahlkampf in Amerika.
Ende Januar dann gab Geschäftsführer Capla bekannt, sich aus der sportlichen Verantwortung zurück zu ziehen. „Das haben wir Fans erreicht“, sagt Hans, und es klingt, als wäre das Tuch noch nicht ganz zerschnitten. Dauerkartenboykott hin oder her – es gibt noch Hoffnung, atmosphärisch und sportlich. Hoffnung, dass sich die Freezers doch noch für die Play-Offs qualifizieren. Und dass vielleicht sogar noch richtig was geht – das Potenzial hätte die Mannschaft mit ihrem üppigen Etat in Höhe von sieben Millionen Euro.
Es ist eine harte Saison, aber auch eine, in der die Freezers ein gutes Stück schaffen könnten auf dem Weg von der Firma zum Verein. Vor den letzten, entscheidenden Spielen baten die Freezers ihre Fans öffentlich auf Plakaten um Unterstützung, und das kam gut an. Wie auch der Schlussspurt in der Liga, mit dem das Team Sympathien zurückgewann. Voraussichtlich wird man an diesem Wochenende zumindest die Pre-Play-Offs erreichen. Alles andere wäre ein Desaster für die Fans – und Gift für die Bilanzen.