: Kiel will neuen Anlauf für NPD-Verbot
Schleswig-Holsteins Innenminister Lothar Hay (SPD) hält ein erneutes Verbotsverfahren gegen die NPD auch ohne Erkenntnisse von V-Leuten für Erfolg versprechend, fürchtet aber, dass die CDU-regierten Länder nicht mitziehen
Die NPD sei verfassungsfeindlich, und das ließe sich auch ohne Informationen von V-Leuten beweisen, meint der Kieler Innenminister Lothar Hay. Er hat federführend für alle fünf sozialdemokratischen Innenministerien Material gesammelt, das für ein Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme Partei verwendet werden könnte. Darunter seien Äußerungen von NPD-Kadern, die öffentlich zugänglich seien, also etwa im Internet oder auf Flugblättern auftauchten. Aber: „Wenn es sich so entwickelt, wie ich vermute, ist das Verfahren mausetot“, sagte Hay gestern weiter. Denn bereits an der Materialsammlung hatten sich die CDU-Innenminister nicht beteiligt, und „solange sich die demokratischen Parteien nicht einig sind, ist ein Gang nach Karlsruhe nicht angebracht“. Abzuwarten sei noch eine Konferenz in der kommenden Woche, die aber vermutlich kein Ergebnis bringen werde.
Laut dem Verfassungsschutzbericht für 2007, den Hay und der Verfassungsschutz-Chef Horst Eger gestern vorstellten, ist die Zahl gewaltbereiter Rechter im Land gestiegen: Etwa 740 der 1.400 Mitglieder aller rechtsextremen Parteien und Splittergruppen hält der Verfassungsschutz für gewaltbereit. Deutlich mehr, nämlich drei Viertel, seien „aktionistisch“, also bei Konzerten, Plakataktionen oder CD-Verteilungen dabei. Stärkste Einzelkraft im rechten Spektrum ist die NPD mit gut 250 Mitgliedern. Zu beobachten sei deren Strategie, bei Veranstaltungen das Wort zu ergreifen und als „Anwalt der kleinen Leute“ aufzutreten, sagte Hay. Es gelte das Prinzip Biedermann und Brandstifter: „Öffentlich klingen sie moderat, intern gibt es weiter das alte Vokabular mit dumpfen Parolen, wie die Mitglieder es erwarten.“
Im laufenden Kommunalwahlkampf wird die NPD in Schleswig-Holstein von Mecklenburg-Vorpommern aus unterstützt. Eger nannte als Beispiel, dass „nächtens Gruppen in Dörfer einfallen und Werbematerial in die Briefkästen stopfen“. Die Zahl der rechtsextremen Straftaten beläuft sich auf 440, das sind 14 Prozent weniger als 2006.
Im linken Spektrum zählte der Verfassungsschutz 236 Straftaten, im Vorjahr waren es 118. Die Zunahme hänge mit dem G 8-Gipfel zusammen, der aber für die Linke „kein Erfolg“ gewesen sei, so Hay. Es habe keine neuen Bündnisse zwischen verschiedenen linken oder autonomen Gruppen gegeben, nur etwa 30 Personen stießen neu zur linksextremistischen Szene hinzu, die der Verfassungsschutz mit gut 500 Menschen beziffert.
Islamistisch-terroristische Strukturen gibt es in Schleswig offenbar nicht, aber „wir müssen wohl damit rechnen, dass hier einzelne Personen leben, die sich von der Ideologie des Jihad angesprochen fühlen“, sagte Hay. Grund zur Panik bestehe aber nicht. EST