: Abschiebepraxis unverändert
Die Abschiebung eines moldawischen Familienvaters zeigt: Flüchtlingspolitik ist ein Streitpunkt der schwarz-grünen Koalition. Flüchtlingsorganisationen befürchten, dass sich wenig ändern wird
VON MARCO CARINI
Die Koalitionäre CDU und GAL kamen mächtig ins Rotieren, als Anfang April noch während der Koalitionsverhandlungen bekannt wurde, dass die von dem SPD-Mann Ralph Bornhöft geführte Ausländerbehörde eine offiziell geduldete fünfköpfige moldawische Familie auseinander gerissen und den Familienvater samt zwei seiner Kinder in einen Abschiebe-Flieger nach Eriwan verfrachtet hatte.
Bürgermeister von Beust zeigte sich not amused über die Maßnahme, die einen Keil zwischen Schwarz-Grün trieb. GAL-Innenexpertin Antje Möller war fassungslos und Innenbehörden-Staatsrat Christoph Ahlhaus (CDU), der die Behörde künftig leitet, wusste wieder einmal von nichts. Hinter den Kulissen kamen die Regierungspartner überein, die Abschiebung möglichst geräuschlos über die Härtefallkommission rückgängig zu machen.
Der Fall, sollte er auch ein gutes Ende nehmen, zeigt: Der Umgang mit Flüchtlingen ist einer der größten Reibungspunkte der schwarz-grünen Koalition. Der Hamburger Flüchtlingsrat und die kirchliche Organisation Fluchtpunkt nahmen die Koalitionsvereinbarungen deshalb noch einmal unter die Lupe. Der Koalitionsvertrag sei „flüchtlingspolitisch eine herbe Enttäuschung“ und lasse der „Ausländerbehörde weiterhin freie Hand“, urteilt Fluchtpunkt. Und der Flüchtlingsrat ergänzt: Die Vereinbarungen zur Flüchtlingspolitik seien „das Papier, auf dem sie stehen, nicht wert“.
Positiv sei nur, so Fluchtpunkt, dass die Erstunterbringung von in Hamburg angelandeten Flüchtlingen im Auffanglager Horst in Mecklenburg Vorpommern beendet werden soll. Doch da die Verträge mit Horst noch bis 2012 gelten, sei völlig offen, wie schnell die Vertragsvereinbarung umgesetzt werde.
Ansonsten aber sei die schwarz-grüne Vereinbarung vor allem durch „schwere Versäumnisse“ gekennzeichnet. So solle bei Familientrennungen zum Zwecke der Abschiebung, wie jetzt bei der moldawischen Familie geschehen, der Eingabeausschuss der Bürgerschaft lediglich „informiert“ werden. Eine obligatorische Prüfung der Fälle durch das Kontrollgremium aber sei nicht vorgesehen. Völlig unzureichend sei auch die Verlängerung des Abschiebestopps nach Afghanistan, da dieser nur für Familien gelte, die dann aber noch nicht einmal eine Aufenthaltserlaubnis bekämen.
Daneben kritisieren Fluchtpunkt und Flüchtlingsrat, dass der Ärztliche Dienst der Ausländerbehörde erhalten bliebe, der in der Vergangenheit immer wieder schwer erkrankten Flüchtlingen die „Flugreisetauglichkeit“ bescheinigt hatte – entgegen anders lautender amtsärztlicher Atteste. Auch die gängige Praxis, minderjährige unbegleitete Flüchtlinge mit willkürlichen Altersschätzungen älter zu machen, um sie besser in Aufnahmelager umverteilen zu können, werde nicht in Frage gestellt.
Zudem gebe es keine unabhängige Rechtsberatung für neu einreisende Flüchtlinge, die mit dem komplexen Aufenthalts- und Asylrecht überfordert seien. Auch seien keine Integrationsmaßnahmen für Migranten vorgesehen, die über Jahre nur „geduldet“ würden.
Nicht einmal das zentrale Schülerregister, das illegalisierte Familien davon abhalte, ihre Kinder zur Schule zu schicken, solle abgeschafft werden. Und zur Gesundheitsversorgung gebe es nur einen unverbindlichen Prüfauftrag. „Im Kern wird dieser Vertrag an der Praxis der Ausländerbehörde nichts verändern“, sagt Fluchtpunkt-Mitarbeiterin Anne Harms.