Umweltschützer stehlen Eon die Show

Umweltschützer nutzen die Hauptversammlung des Energiekonzerns Eon, um mit der Unternehmenspolitik abzurechnen, und rufen zum Boykott des Energiekonzerns auf. Doch Eon-Chef Bernotat will noch jahrzehntelang auf Energie aus Kohle setzen

AUS ESSEN ANDREAS WYPUTTA

Umweltschützer, Atom- und Kohlekraftgegner wie Globalisierungsgegner haben bei der Hauptversammlung des Eon-Konzerns gegen die Geschäftspolitik des größten deutschen Energieversorgers protestiert. Bereits am Eingang der Essener Grugahalle begrüßten Transparente mit Aufschriften wie „Neue AKW für Europa – Reibach für Eon, Risiko für alle“ die Aktionäre. „E – wie enteignen“, konnten die Shareholder auf einem anderen Plakat in Anlehnung an den Slogan „E – wie einfach“ einer Eon-Billigtochter lesen.

Die Umweltorganisation „urgewald“ verteilte knapp 1.000 alternative, kritische Geschäftsberichte an die Aktionäre. „Das Herzstück von Eons Geschäften sind nach wie vor dreckige Energie und dreister Machtmissbrauch“, so „urgewald“-Geschäftsführerin Heffa Schücking – heute stammen 37 Prozent des Eon-Stroms aus Kohle –, knapp 50 Prozent aus Atomkraftwerken. Im Jahr 2007 erzielte der Energieriese damit einen Überschuss von 7,2 Milliarden Euro, knapp 30 Prozent mehr als 2006. Der Gewinn stieg um zehn Prozent auf 9,2 Milliarden Euro.

Auch während der Hauptversammlung selbst konnten die Umweltschützer ihre Argumente vortragen. Möglich wurde dies durch die Organisation der kritischen Aktionäre, die den Umweltschützern ihr Rederecht überließ. So warnte etwa Rolf Wich von der Bürgerinitiative „stop staudinger“ vor dem Bau des sechsten Blocks des Kraftwerks Staudinger im hessischen Großkrotzenburg bei Hanau, der jährlich mindestens 5,2 Millionen Tonnen des Treibhausgases Kohlendioxid in die Atmosphäre blasen soll. „Ihre Eon AG ist gerade dabei, dramatisch an gesellschaftlicher Akzeptanz zu verlieren“, so Wich zu den Aktionären – schließlich haben sich bisher nicht nur Anwohner und Bürgerinitiativen, sondern auch zahlreiche Städte und Gemeinden gegen die CO2-Schleuder ausgesprochen. Dabei habe Eon-Vorstandschef Wulf Bernotat angekündigt, das Kohlekraftwerk nicht gegen den Willen der Bevölkerung auszubauen.

Von dieser Zusage aber wollte Konzernchef Bernotat am Mittwoch nichts mehr wissen. Erst bei einer definitiven Ablehnung durch die hessische Politik werde Eon die Ausbaupläne stoppen. Stattdessen nutzte Bernotat seine Antwort zu einem weiteren gebetsmühlenartigen Bekenntnis zur Stromerzeugung aus Kohle und Atomenergie. „Noch in Jahrzehnten werden wir Kohle und Gas in der Stromversorgung brauchen“, hatte der Manager schon in seinem Eingangsstatement zur Hauptversammlung betont. „Und nach meiner Überzeugung ebenso auch die Kernenergie.“ Er appelliere deshalb an die „ökonomische Vernunft der Politik“, so Bernotat unter nur verhaltenem Applaus seiner Aktionäre – obwohl er an dieser ökonomischen Vernunft seit der Absage an das Kohlekraftwerk Moorburg durch die schwarz-grüne Koalition in Hamburg hin und wieder zweifle.

Zunehmend genervt reagierte Bernotat wie auch sein Vorgänger als Konzernvorstand, Aufsichtsratschef Ulrich Hartmann, gerade auf Kritik am Atomkurs seines Unternehmens. Unterstützt durch die kritischen Aktionäre konnten Atomkraftgegner weit über eine Stunde lang unangenehme Fragen stellen. Hanna Poddig, Aktivistin der Umweltorganisation Robin Wood, erinnerte an die Brände in den deutschen Atomkraftwerken Krümmel im Juni 2007 und Brokdorf 2008, an denen Eon beteiligt ist. Untragbar sei ein Weiterbetrieb gerade wegen der in der Umgebung des Kraftwerks Krümmel aufgetretenen häufigen Fälle von Leukämie.

„Eon wird seine Geschäftspolitik erst auf Druck des Marktes hin ändern“, sagte „urgewald“-Geschäftsführerin Heffa Schücking. Die Umweltaktivistin ruft deshalb zum Wechsel zu einem der vier deutschen Anbieter auf, die ausschließlich Ökostrom im Programm haben – am besten „nicht sang- und klanglos, sondern mit einem Abschiedsbrief, der Eons klima- und umweltfeindliche Politik kritisiert“.