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Archiv-Artikel

Antifa will Teltow retten

In Teltow machen sich Neonazis ungeniert breit. Die Antifa will da nicht zusehen und ruft zur Demonstration. Bürgerliche Gruppen machen nicht mit – sie fürchten Gewalt

Die brandenburgische Kleinstadt Teltow bei Potsdam entwickelt sich offenbar zu einem beliebten Treffpunkt von Neonazis. „Teltow ist zu einem Rückzugsgebiet für Neonazis aus Berlin und Brandenburg geworden“, sagt ein Sprecher der Antifa Teltow. Dagegen protestieren Antifa-Gruppen aus Teltow, Berlin und Brandenburg am Samstag mit einer Demonstration. Erwartet werden rund 150 Teilnehmer.

In dem 20.000-Einwohner-Ort haben die Nazis laut Antifa derzeit vier Treffpunkte. Dabei spiele das Bekleidungsgeschäft Nordic Thunder eine tragende Rolle. „Der Laden hat neben anderen Waren auch Klamotten der Modemarke Thor Steinar und rechtsextreme Musik im Sortiment“, erklärt der Antifa-Aktivist. Neben dem Geschäft würden die Nazis ihre Propaganda auch von dem Tätowierladen „Chaos“ aus verbreiten. Der Laden ziehe Neonazis aus dem gesamten Umland an. „Bei gutem Wetter grillen sie auf der Straße vor dem Geschäft und versuchen, bei Passanten Werbung für ihre rassistische Ideologie zu machen“, so der Sprecher der Antifa. Außerdem träfen sie sich in der Bar Red Berry und in der Disko Music Park. Vor allem die „Freien Kräfte Teltow Fläming“ seien in dem Ort sehr aktiv.

Tatsächlich brüsten sich die „Freien Kräfte“ auf ihrer Internetseite mit ihren Aktionen: So schmierten sie in der Nacht zum 9. Mai Umrisse von Toten auf die Straße, wie es sonst nur die Polizei macht. Diese versahen sie mit Sprüchen wie „Befreiung?“ oder „Befreit am 8. Mai“. Im Vorfeld der Antifa-Demo hätten Mitglieder der „Freien Kräfte“ zudem Aufkleber mit rechten Parolen verteilt und Flugblätter in die Briefkästen geworfen, auf denen sie die Anwohner vor „den linkskriminellen Chaoten“ warnten, so der Antifa-Sprecher.

Dass die Neonazis in Teltow inzwischen unangenehm präsent sind, darin ist sich die Antifa mit den Parteien vor Ort einig. Bei der Demonstration allerdings wollten die bürgerlichen Kräfte nicht mitmachen, bedauert die Antifa. Antje Scharf, Hauptverbandsvorsitzende der Grünen in Teltow, erklärt dazu: „Wir sind grundsätzlich gegen Neonazis, aber auch gegen Gewalt.“ Scharf befürchtet, dass es während der Demonstration zu Auseinandersetzungen zwischen Antifa-Aktivisten und Neonazis kommen könnte. Deshalb unterstütze ihre Partei die Demonstration nicht.

Derselben Meinung ist auch ein Sprecher der Initiative „Netzwerk tolerantes Teltow“, ein Zusammenschluss engagierter Bürger. Das Netzwerk schätze die Aufklärungsarbeit der Antifa, man habe allerdings ein Problem mit ihrer Militanz. Die Netzwerker bevorzugten gewaltfreie Aktionen gegen Neonazis, wie das Entfernen von Aufklebern oder die Durchführung von Informationsveranstaltungen. Deshalb habe sich das Netzwerk nicht offiziell an der Demo-Organisation beteiligt. „Trotzdem nehmen Mitglieder des Netzwerkes an der Demonstration teil“, so der Netzwerk-Sprecher.

Besorgt ist man beim „Netzwerk Tolerantes Teltow“ auch mit Blick auf die Kommunalwahlen im September: Bis dahin werde die NPD bestimmt versuchen, einen eigenen Ortsverband in Teltow aufzubauen, sagt der Sprecher. Und bei den vorhandenen rechten Strukturen dürfte ihr das wohl nicht schwerfallen, befürchtet er. LUKAS DUBRO