: Wie Messer und Gabel
Ohne Mathematik könnten wir heute weder Musik aus dem MP3-Player hören, noch wären wir in der Lage, Wetterprognosen zu erstellen. Mathematisches Wissen ist Grundlage von Forschung und Entwicklung und wird in fast allen Berufen gebraucht
„Nichts geht mehr“, würden wir sagen, wenn plötzlich die Mathematik mit ihren Variablen, Gleichungen und Matrizen verschwinden würde. Sie, die Wissenschaft, die vielen schon in der Schule ein Gräuel ist und viele Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft hat, gewinnt mit dem mathematisch-technischen Fortschritt zunehmend an Bedeutung und sorgt für viele Veränderung vor allem in der Berufswelt. Viele Berufsbilder müssen angepasst, neue Professionen entwickelt werden. Einer der neuen Berufe ist der mathematisch-technische Softwareentwickler. Informationen dazu und zu weiteren Berufen gibt es beim Bundesinstitut für Berufsbildung unter www.bibb.de. SK
VON SVEN KULKA
Es gibt fast keinen industriellen Prozess, in dem Mathematik nicht von Bedeutung ist. Egal ob beim Härten von Stahl, bei der Konstruktion von Autos oder der Herstellung von Mikrochips, ohne Mathematik würden weite Teile unserer Wirtschaft nicht funktionieren. Auch viele Berufe gäbe es nicht ohne die Macht der Gleichungen, Vektoren und Matrizen.
„Mathematik hat in allen technischen und kaufmännischen Ausbildungsberufen ihre Bedeutung – mal mehr, mal weniger“, sagt Michael Assenmacher vom Bereich Berufliche Bildung des DIHK in Berlin. Schädlingsbekämpfer, Bürokaufleute, Kfz-Mechaniker, selbst Maskenbildner können ohne Mathematik nicht arbeiten. Und das, je nach Beruf, in zunehmendem Maße.
Immer wieder müssen Berufsbilder an die mathematische und technische Entwicklung angepasst werden. Der Beruf des Kartografen beispielsweise: „War die kartografische Arbeit früher insbesondere durch handwerkliche Fähigkeiten wie Zeichnen oder das manuelle Herstellen von Karten geprägt, so müssen Kartografen heute vornehmlich digitale Geodaten visualisieren und verwalten, und das mithilfe des Computers“, sagt Michael Assenmacher.
Nicht nur bestehende Berufe werden angepasst, es entstehen auch neue. Seit 1. August 2007 beispielsweise gibt es den Ausbildungsberuf „mathematisch-technischer Softwareentwickler“ kurz „Matse“. Christian Sowa ist einer der ersten Auszubildenden in diesem neuen Beruf. Er arbeitet bei InMediasP in Hennigsdorf, einem Unternehmen, das im Bereich Prozess- und IT-Beratung für die Produktentwicklung tätig ist und derzeit fünf Auszubildende beschäftigt: vier Fachinformatiker und einen mathematisch-technischen Softwareentwickler.
Ganz bewusst hat sich der 26-jährige Christian Sowa für den Ausbildungsberuf entschieden, denn mathematische und technische Prozesse mithilfe eines Computers abzubilden hat ihn immer schon fasziniert. Im Betrieb lernt er unter anderem, wie man mathematische Algorithmen programmiert und anwendet, welche im Flugzeugbau benötigt werden, um komplexe Zusammenhänge der einzelnen Komponenten eines Flugzeuges abbilden und auswerten zu können.
Ein entscheidender Vorteil: Die Mathematik bietet vielen gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt, dem klassischen Mathematiker beispielsweise: „Sie arbeiten an Hochschulen, in Finanzinstituten und Unternehmensberatungen oder in der Energiewirtschaft, wo Mathematiker als Risikomanager, als Systemadministratoren im IT-Bereich oder als Experten für Optimierungsprobleme einsteigen“, sagt Michael Assenmacher vom DIHK. Auch bei Banken besteht Bedarf an Rechengenies, die vor dem Hintergrund zunehmender internationaler Anlagen- und Investitionsgeschäfte dort immer wichtiger werden.
Ein anderes Beispiel: Die Kosten, die der Wirtschaft durch den Klimawandel entstehen, sind enorm. Um diese in Zukunft so gering wie möglich zu halten, benötigen die Unternehmen Fachkräfte, die Unwetter durch Frühwarnsysteme rechtzeitig vorhersagen können. Wichtig beispielsweise für die Landwirtschaft oder den Katastrophenschutz.
Im Bachelor-Studiengang Meteorologie an der Freien Universität Berlin lernen die Studenten, „wie sie Stürme und Dürren vorhersehen können oder wie sich das Klima einer Stadt verändert, wenn ein neuer Ortsteil entsteht“, erklärt Ulrich Cubasch vom Institut für Meteorologie einen Teil der Lehrinhalte. Dazu dienen Wetter- oder Klimaprognosen: In einem Wetter- oder Klimamodell wird das Klimasystem der Erde in Gleichungen dargestellt, wie sie Physik-, Meteorologie- und Mathematikstudenten im Prinzip bereits im ersten Semester lernen. Der Computer löst diese Gleichungen numerisch und errechnet daraus die Simulationen. „Mathematik und Physik sind wie Messer und Gabel, um eine bestimmte Fragestellung präzise bearbeiten zu können“, betont Heike Hübener, wissenschaftliche Assistentin von Ulrich Cubasch.
Bleiben wir beim Klimawandel: Dass er teilweise nicht mehr aufzuhalten ist, steht ebenso fest wie die Tatsache, dass das Eis an den Polen schneller schmilzt als befürchtet. Um solche Entwicklungen bewerten und ihnen entgegenwirken zu können, braucht es professionelle Forschung. An der International Max Planck Research School for Earth System Modelling in Hamburg gehen Studenten des Instituts für Meteorologie beispielsweise der Frage nach, welchen Einfluss das Abschmelzen von Gebirgsgletschern auf das Klimasystem hat. „Erkenntnisse, die wichtig sind für Wirtschaft, Gesellschaft und Politik“, sagt Annette Kirk vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. Ohne Mathematik allerdings würde es diese nicht geben.