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Archiv-Artikel

Straßenkampf am Eck

Mit noch stärkerer Polizeipräsenz sowie mehr Observation will Innensenator Ulrich Mäurer den Straßenverkauf von Drogen am Sielwall eindämmen und einige Kleindealer hinter Gitter bringen

von Jan Zier

Er will ein Zeichen setzen, sagt der neue Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) – weniger gegen den Drogenhandel im Allgemeinen, als gegen den Straßenverkauf von Cannabis und Kokain speziell am Sielwalleck. Im Kern geht es um bis zu 30 afrikanische Kleindealer, von denen die Polizei acht als „Top-Täter“ identifiziert hat. Ihnen sollen jetzt mit noch mehr Polizeipräsenz sowie „intensiven verdeckten Observationen“ gewerbsmäßiger Handel nachgewiesen werden. Am Ende, so Mäurer, sollen die „Rädelsführer“ der offenen Szene „für längere Zeit“ inhaftiert – oder abgeschoben werden.

Die Vorwürfe aus der Bevölkerung sowie von Geschäftsleuten im Viertel seien in den letzten Monaten „massiv“, sagte Mäurer, der Zustand werde vielfach als „unerträglich“ empfunden. Das bestätigt auch Ortsamtsleiter Robert Bücking. Jetzt sollen zunächst noch mehr uniformierte Polizeikräfte als bisher schon, auch in Doppelstreife und mit Hunden, eingesetzt werden. Zudem soll die Stationierung einer mobilen Polizeiwache mehr Sicherheit vermitteln. Dafür ist der Leiter der Polizeiinspektion Mitte / West, Hans-Jürgen Pusch, sogar bereit, andere Aufgabenbereiche „zeitweise zu vernachlässigen“. Ob das Sielwalleck auch videoüberwacht wird, ist noch unklar: Mäurer hat sich dazu „noch keine Meinung“ gebildet.

Geplant ist, mehr Platzverweise als bisher auszugesprechen, zudem sollen potenzielle „Rückzugsräume“ wie etwa Call-Shops ihre Konzession verlieren. Darüber hinaus sollen die verdeckten Ermittlungen auch gegen bereits aktenkundige Dealer verstärkt werden. Die Kleinstdealer seien dabei nicht das „vordringliche Problem“, sagt Mäurer – wohl aber der konkrete Nachweis des dauerhaften, gewerbsmäßigen Handels. Die meisten Dealer führen nur sehr wenig Drogen mit sich. Das zeigt auch die Bilanz der jüngsten Schwerpunktmaßnahmen vom Freitag vergangener Woche: Zwischen 16 bis 24 Uhr wurden sechs Platzverweise ausgesprochen, 13 Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz registriert. Doch beschlagnahmt wurden nach Angaben von Polizeipräsident Eckard Mordhorst lediglich „geringe Mengen“ an Kokain und 55 Gramm Marihuana. Insgesamt wurden im ersten Halbjahr 2008 pro Tag durchschnittlich knapp zehn Drogendelikte von der Polizei angezeigt.

Bei der Staatsanwaltschaft wurden 2006 von knapp 4.000 Verfahren fast zwei Drittel ohne Auflage eingestellt. Nur in 9,3 Prozent aller Verfahren wurde Anklage erhoben, der Bundesdurchschnitt lag bei 18 Prozent. Beim Senat erklärte man dies jüngst damit, dass bei Drogendelikten zumeist – der „rationellen Erledigung“ wegen – Strafbefehle beantragt und nicht aufwändige Anklagen erhoben werden.

Mäurer selbst nannte seine Initiative einen „Kampf gegen Windmühlen“, und auch die Polizei geht davon aus, dass sich der Drogenhandel mit den geschätzten 4.000 NachfragerInnen in Bremen „dauerhaft nicht unterbinden“ lässt, allenfalls mit hohem Personaleinsatz „eindämmen“. Die Dealer würden sich „sofort neu formieren“ oder auf andere Ort ausweichen. Die Polizei kündigte an, auch in die „Nebenzentren“ zu gehen. Am Ende möchte sie vor allem „die Szene in Bewegung halten“. Denn auf die Ursachen des Drogenhandels, sagt Mordhorst, „wollen wir erst gar nicht einsteigen“.