: Concordia: Gefährliche Passage
Der Tunnel ist an diesem Wochenende wieder gesperrt: Auch für Fußgänger und Radfahrer. Selbst schuld, wer das übersieht. Es drohen herumfliegende Bauteile – und aggressive Bauarbeiter
von Eiken Bruhn
Kopf hoch und Augen auf, heißt es an diesem Wochenende wieder am Concordia-Tunnel. Der ist aufgrund von Bauarbeiten nicht nur für Autos und Straßenbahn, sondern auch für Fußgänger und Radfahrer gesperrt, wie ein Schild in luftiger Höhe ankündigt – zumindest auf der stadtzugewandten Seite der Eisenbahnunterführung. Wer dieses Schild nicht gesehen hat, wird vermutlich wie der Ochs vor’m Berg stehen, wie zahlreiche Passanten am vergangenen Wochenende.
Durchgehen oder nicht – fragten sich viele angesichts der unübersichtlichen Baustellensituation. Theoretisch sollten dort hüfthohe rot-weiße Absperrgitter quer über der Fahrbahn eine deutliche Sprache sprechen – doch diese Gitter stehen dort täglich in der einen oder anderen Formation und werden außerdem von Leuten zur Seite geschoben, die nicht bereit sind, Umwege in Kauf zu nehmen. Wer ganz genau hinsah, entdeckte vielleicht am Straßenrand des über 20 Meter breiten Tunnels ein kleines rundes Verkehrsschild mit rotem Rand und schwarzer Figur auf weißem Grund – und wusste dieses richtig zu deuten. Besser wäre es, denn die Sicherheit wird offenbar nicht nur von herumfliegenden Bauteilen gefährdet, sondern auch von gewalttätigen Bauarbeitern.
Diese Erfahrung machte eine 33-jährige Sozialpädagogin auf ihrem Nachhauseweg am vergangenen Samstag Abend. „Ich wusste nicht, ob ich da durch gehen darf oder nicht“, sagt die Frau, die ihren Namen nicht nennen will aus Angst vor dem Bauarbeiter, gegen den sie Anzeige wegen Körperverletzung erstattet hat. Sie sei zunächst unschlüssig stehen geblieben, bis eine Gruppe von Leuten an ihr vorbei ging. „Ich arbeite mit Behinderten und bin deshalb sehr vorsichtig“, sagt die zierliche Frau, aber da sie direkt hinter dem Tunnel wohnt und sich nicht vorstellen konnte, dass er tatsächlich komplett gesperrt ist, folgte sie schließlich der Gruppe Richtung Viertel. Doch während diese unbehelligt blieb, sei einer der Bauarbeiter auf sie zugestürzt. „Der hat nichts zu mir gesagt, sondern nur ‚Rausrausraus‘ gebrüllt und mich geschubst.“ Auf ihre Forderung, er solle sie nicht anfassen, sei er noch aggressiver geworden und habe sie mehrfach geschubst und dabei auch ihre Brüste berührt. Später soll er ein Gitter auf ihren Freund geworfen haben, der ihr von der anderen Seite zu Hilfe kommen wollte. „Ich wusste gar nicht, worum es geht, sie hat nur gesagt, ‚ich werde angegriffen‘“, erzählt der 38-Jährige, der ebenfalls als Sozialpädagoge arbeitet. Auch er schildert die Situation an der Baustelle als unübersichtlich, der Bauarbeiter habe ihn auch nicht angesprochen, sondern sofort angegriffen. „Ich verstehe es, wenn sich jemand Sorgen um unsere Sicherheit macht, aber man schützt doch jemand nicht, indem man ihn attackiert“, sagt seine Freundin. Außerdem habe sie das Gefühl gehabt, sie sei als Einzelperson heraus gepickt worden, um die vielen anderen Leute habe sich niemand gekümmert.
Die Firma, bei der der Mann angestellt ist, verweist für Presseanfragen an die Bauherrin, die Deutsche Bahn. „Für uns stellt sich die Situation anders dar“, sagt ein Sprecher, mehr will er aber nicht sagen wegen des Ermittlungsverfahrens. Außerdem sei eine gewisse Aufregung seitens der Bauarbeiter verständlich, weil der Tunnel schließlich nicht ohne Grund gesperrt sei. „Die haben ein 300-Tonnen-schweres Stahlgerüst montiert, da besteht Lebensgefahr.“
Genau so sieht es der Verantwortliche beim Amt für Straßen und Verkehr, Klaus Kuhn. Er hätte die Vollsperrung lieber vermieden, sagt Kuhn, aber die Situation sei zu gefährlich. Ein deutlicheres Signal oder eine andere Absperrung, die sich nicht so leicht verrücken lässt, hält er nicht für notwendig. „Je mehr Schilder man aufstellt, desto unübersichtlicher wird es.“ Und Fußgänger seien ohnehin „nicht zu steuern“, mit denen gebe es immer Probleme. „Wer schnell von a nach b will, geht auch durch frisch gegossenen Beton.“
Noch mindestens sechs Mal wird die Eisenbahnunterführung gesperrt sein, an diesem Wochenende von Freitag, 21 Uhr bis Montag Morgen 4.30 Uhr. Mit einem Ende der Bauarbeiten ist ab Herbst 2009 zu rechnen.