Superlehrling gesucht

Die Zahl der Lehrstellen in Hamburg ist deutlich gestiegen, hat die Handelskammer gezählt. Grund für unbesetzte Ausbildungsplätze sei maßgeblich die „mangelnde Ausbildungsreife“ vieler Bewerber

VON KRISTIANA LUDWIG

Der Azubi der Zukunft heißt Christoph Gellendin. Er trägt Anzug, kann sich eloquent artikulieren und hat bereits ein paar Semester studiert. Auf Lehramt. Dann brach er ab, um sich einem Beruf zu widmen, der „vielfältig ist und mit Globalisierung zu tun hat“. Er wird jetzt Teehändler.

Er hat das, was vielen Lehrstellenbewerbern laut 50,1 Prozent der Hamburger Unternehmer fehlt: Qualität. Das jedenfalls ergab eine Umfrage der Handelskammer Hamburg, die sie am Donnerstag gemeinsam mit den aktuellen Ausbildungszahlen präsentierte. Den Bewerbern fehle es an Disziplin und Belastbarkeit, an Umgangsformen und Sozialkompetenz aber auch an Rechenfertigkeiten, Ausdrucksvermögen und Interesse.

Dennoch sieht die Lehrstellen-Bilanz des vergangenen Jahres, laut Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Hans-Jörg Schmidt-Trenz rosig aus. Mit 7.563 abgeschlossenen Verträgen zum heutigen Ausbildungsbeginn haben 750 Jugendliche mehr als im Vorjahr eine Lehrstelle bekommen. Dem entgegen stehen allerdings immer noch 6.400 Arbeitslose unter 25 Jahren (siehe Text rechts).

Besonders die Hamburger Jugendlichen selbst konnten im vergangenen Jahr Lehrstellen abgreifen. Erstmals seit 2005 ist mit 50,4 Prozent mehr als die Hälfte der Lehrstellen der Stadt mit Hamburger Azubis besetzt; runde 40 Prozent stammen aus den Nachbarländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Die Ursachen für „diese positive Entwicklung“ sieht Schmidt-Trenz in der guten Wirtschaftslage und in einem wachsenden Bewusstsein der Unternehmen für den demographischen Wandel. Und natürlich in den Plakatkampagnen und Ausbildungsberatern der Handelskammer.

Dass 300 Lehrstellen bisher noch unbesetzt sind, begründet Schmidt-Trenz mit den Doppelzusagen der Lehrstellenbewerber. 18,8 Prozent der Unternehmen konnten in diesem Jahr keine Ausbildungsplätze besetzen, weil sich ihre Bewerber dann doch für eine andere Firma entschieden.

Das ärgert auch Schmidt-Trenz, da sei „ein bisschen mehr Disziplin erforderlich“, findet er. Für die Tatsache, das 56,3 Prozent der Unternehmen Lehrstellen unbesetzt ließen, weil nach eigenen Angaben keine geeigneten Bewerbungen vorlagen, hat Schmidt-Trenz ebenfalls eine gute Erklärung: die „mangelhafte Ausbildungsreife“. Bewerber sollten informiert, bestens vorbereitet und flexibel sein. Und vor allem auch mal ein Bewerbungsschreiben ohne Rechtschreibfehler hin bekommen. Zur Not könne man sich da ja auch von jemandem helfen lassen, sagt der IHK-Hauptgeschäftsführer.

Schuld an der Misere seien hauptsächlich die Schulen, sagt Schmidt-Trenz. „Gerade in einer Metropole wie Hamburg“ gebe es dort „soziale Verwerfungen“ und dadurch Handlungsbedarf zur Berufsvorbereitung „im Klassenzimmer“, abseits der „Strukturdebatten“. An der Ausbildung selbst läge es jedenfalls nicht. Der Migrantenanteil der Azubis von 2008 liegt bei 22,3 Prozent, was „zeigt, dass es auch bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund kluge Köpfe gibt“, sagt Schmidt-Trenz. Die tägliche Teamarbeit und die Berufsschule fördere das besonders: „Besser kann Integration nicht gelingen.“

Der Vorzeige-Teehandelsausbilder Peter Andreas von Kruse hat trotzdem seine Probleme mit den Schulabgängern. Realschüler und Abiturienten seien häufig zu „kindlich“. Er wünsche sich außerdem solide Fremdsprachenkenntnisse. Gut also, dass es noch Studienabbrecher wie Gellendin gibt. Leute wie er würden auch auf die noch ausstehenden 300 Lehrstellen passen: Hauptsächlich in Bürokommunikation, Fachinformatik, Gastronomie und großem Außenhandel.