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Archiv-Artikel

uli hannemann, liebling der massen Alles für Traveller

Ein Loch befindet sich in meiner aufblasbaren Edel-Isomatte. Ein paar Tage lang beobachte ich sie von meinem Schreibtisch aus: Der Schaden scheint mir wenigstens nicht größer zu werden, doch der Faktor Zeit allein ersetzt wohl keinen Klebstoff. Irgendjemand müsste mal was tun, aber wer und vor allem was? Ein paar Tage später ringe ich mich immerhin dazu durch, nach den Begriffen „Edel-Isomatte“, und „von selbst wieder heil“ zu googeln. Null Treffer. „Aufblasbare Isomatte“, „Loch“ und „flicken“ bringen hingegen Hinweise auf ein Reparatur-Set und einen Globetrotterladen in der Bergmannstraße. Den kenne ich noch von früher, aber wie ich die Gegend einschätze, ist da inzwischen längst eine Boutique oder ein Sushi-Laden drin. Da brauche ich also gar nicht erst hinzufahren.

Eine Woche später ist die Matte immer noch kaputt. Die selbstheilenden Kräfte lassen auf sich warten. Unmotiviert mache ich mich nun doch auf die Suche nach dem Globetrotterladen. Auf Deutsch klingt das wie „Klobetrottel“, was, passend zur Klientel, an Trottel in klobigen Sandalen erinnert. An der ursprünglichen Adresse in der Bergmannstraße finde ich eine brandneue Boutique. Ohne vom Rad abzusteigen, rufe ich von draußen der gelangweilten Verkäuferin zu: „Hier war doch mal so ein Klobetrottelladen – wissen Sie vielleicht, wo der hin ist?“

Sie lächelt mich an, zumindest beschriebe der Bogen ihrer Lippen ein Lächeln, stellte die Frau sich auf den Kopf. Ich nerve sie mit meiner Frage, das spüre ich und kann’s ihr noch nicht einmal verdenken. Bestimmt steckt seit der Geschäftseröffnung fünfzig Mal am Tag irgendein zauseliger Bergfex, Almöhi oder Einödi, ohne vom Fahrrad, Trecker oder Bollerwagen abzusteigen, seinen naturgegerbten Zelterschädel durch die offene Tür und fragt nach dem Verbleib des Klobetrottelladens. Oder schlimmer noch, ein „Traveller“, wie man bewusstseinserweiterte Abenteurer nennt, die möglichst wenig Geld in dem bettelarmen Land lassen, das sie bereisen, denn das Geld würde die Einheimischen ohnehin nur verderben. Unwillig, aber mit dem untrüglichen Instinkt, dass ich schneller verschwinde, wenn sie mir antwortet, wedelt sie mit einer fortscheuchenden Geste westwärts: „Da hinten über die Straße rüber, auf der linken Seite ein paar Häuser rein, unten im Keller, da ist so was.“ „In der Kreuzbergstraße?“ „Ja.“ Ich bedanke mich, doch sie hat sich längst umgedreht und löffelt ihr Sushi weiter. Ist wohl Mittagspause.

Zwei Minuten später stehe ich vor einer Tür mit heruntergelassener Jalousie. „Alles für Traveller“, lese ich darüber. Der Laden ist schon „so was“ – im Schaufenster sehe ich einen Campingkocher und Fahrradkarten –, aber Klobetrottel, der seriöse große Spezialist für Survivalbedarf, ist das nicht. In einem zweiten Schaufenster stehen merkwürdige Pfeifen sowie eine bunte Sammlung verschiedenartigster Zigarettenblättchen. „Head Shop“, mahnt ein Schild, das ich mir so auch gut auf Papua-Neuguinea vorstellen könnte: „Kopfladen“. Darüber findet sich ein weiterer Schmierzettel von innen ans Fenster geklebt: „Von 22.07. bis 02.08. haben wir voraussichtlich eingeschränkte Öffnungszeiten: Mittwoch von 12 bis 19 Uhr, Freitag von 12 bis 19 Uhr, und so weiter, an den anderen Tagen bleibt voraussichtlich geschlossen.“

Zum Glück ist heute Mittwoch. Es ist viertel nach eins, na ja, da kann man ja noch ein bisschen warten. Voraussichtlich. Scheibendreck. Ich bin uncool, und uncool ärgere ich mich ein bisschen. Die machen hier so ein edles Verschleierungs-Bohei um ihr Zugedröhne. Dabei bleibt Drogenmissbrauch, selbst wenn Penner aus Kristallgläsern saufen, immer noch schlicht Drogenmissbrauch. Was soll daran heilig sein? Die Kiffköppe haben sich einfach zu sehr abgedichtet, um ihren Laden zu öffnen. Wer dichtet nun meine Isomatte ab? Was soll überhaupt dieses unmotivierte Durcheinander aus Camping- und Dopeutensilien unter dem gemeinsamen Label „alles für Traveller“? Da muss man sich nicht wundern, dass die Bergsteiger alle naselang verschellen.

„Entführt am Berg Ararat“? Von „Kurden“. Kurdenschnurden – Jesus, dass ich nicht kichere! „Nicht mehr bei sich“, trifft’s wohl besser, „huhu, mich deucht, ich wurde entführt, von Brain-Kurden, ins Märchenland, ins Reich der Sinne, ins Reich der Unsinne, und einmal retour – Herr Außenminister Stonemeier, retten Sie mich, ich könnte eine ganze Schwarzwälder Kirschtorte essen, boah, bin ich fett, ey!“ Um zwanzig nach eins mache ich mich unverrichteter Dinge vom Acker. ULI HANNEMANN