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Archiv-Artikel

Wenn Ringer mit der Fassung ringen

Finale verloren, Silber gewonnen – Mirko Englich genoss die Siegerehrung. Ara Abrahamian nicht. Er ging. Für immer

Ara Abrahamian, schwedischer Bronzemedaillengewinner: „Ich wollte Gold, also waren diese Spiele ein Fehlschlag“

PEKING taz ■ Es war eine klare Niederlage. Der ganz große Wurf gelang im Finale des olympischen Ringerwettstreits der Männer bis 96 Kilo im Griechisch-Römischen Stil dem Wittener Mirko Englich nicht. Der Russe Aslanbek Chuschtow entschied den Kampf mit zwei Hebewertungen klar für sich. Auf der zweithöchsten Stufe des Siegerpodests gefiel es dem Deutschen dennoch sichtlich gut. Später sagte er: „Wenn man sieht, wie die Fahne hochgezogen wird, und etwas Schweres um den Hals hängen spürt, kann man nicht enttäuscht sein.“

Für ihn freute sich der Mannschaftsleiter des deutschen Olympiateams. Michael Vesper war in die Ringerhalle gekommen, um Englich persönlich zu herzen. „Eine positive Überraschung“ nannte er die silberne Ringermedaille. Es war die erste nach zwölf Jahren olympischer Erfolglosigkeit deutscher Ringer.

Keine zehn Meter von Vesper entfernt stand Glenn Osth, der stellvertretende Chef de Mission des schwedischen Teams. Er war alles andere als gut gelaunt. Er erläuterte, warum der schwedische Ringer Ara Abrahamian kurz vor Englichs Kampf seine Bronzemedaille weggelegt hatte und aus der Halle verschwunden war, noch bevor die Siegerhymne eingespielt wurde.

Für die Schweden war das Halbfinale in der Klasse bis 84 Kilo ein Skandalringkampf. Abrahamian habe völlig zu Unrecht eine Strafwertung kassiert, nur so habe der Italiener Andrea Minguzzi den Kampf gewinnen und später Olympiasieger werden können. Das Team legte Protest ein. Glenn Osth zeigte die handgeschriebene Protestnote. Die Forderung darin: der Kampf muss wiederholt oder Abrahamian zum Sieger erklärt werden. Die Mattenflucht, die die Referees gesehen haben wollen, habe es nicht gegeben. Ein Video des Kampfes legten die Schweden bei. Das Kampfgericht des Internationalen Ringerverbandes (Fila) nahm das Protestschreiben nicht einmal an.

Abrahamian war außer sich. „Die Entscheidung zeigt, dass die Fila korrupt ist.“ Eine freiwillige Helferin hatte die Bronzemedaille unterdessen aufgehoben. Was mit ihr geschieht, wusste auch Glenn Osth nicht. Geht sie zurück an das IOC oder wird sie den Schweden wieder zugestellt?

Für das schwedische Olympische Komitee ist der Fall indes noch nicht beendet. Sie hat beim IOC Protest gegen die Wertung des Kampfes eingelegt. Das muss heute auf einer Pressekonferenz offiziell Stellung beziehen.

Abrahamian aber wird nicht mehr ringen. Das olympische Turnier hat ihm den Rest gegeben. „Ich wollte Gold“, sagte er, „also waren diese Spiele ein Fehlschlag.“ Sprach’s und verschwand. Wo seine Medaille zu diesem Zeitpunkt war, er wusste es nicht. ANDREAS RÜTTENAUER