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Archiv-Artikel

berliner platten Standhaftes Rocken aus ehrlicher Zeit: El*ke bauen auf das schnelle 1, 2, 3, und Earthbend können sogar noch weiter zählen, ganz im einstmals progressiven Geist

Früher wohnte El*ke über dem Ramones-Museum in Kreuzberg. Das Museum gibt es nicht mehr, aber das Trio spielt immer noch standhaft Musik, die baut auf Gitarre, Schlagzeug, Bass und 1, 2, 3. Auf ihrem neuen Album „Häuser stürzen ein“ sind die legendären New Yorker Meister des immer gleichen Surf-Punksongs allerdings nur mehr ein Einfluss unter vielen – wenn auch nicht unter vielen verschiedenen: Denn vom atemlos herausgepressten, Dringlichkeit suggerierenden Gesang bis zu den messerscharf einsetzenden Gitarrenbrettern rekapitulieren El*ke so souverän wie nie alle Klischees, die sogenannte ehrliche Rockmusik im Angebot hat. In den Texten wird ohne jede ironische Brechung noch einmal die Rebellion gegen die gesellschaftlichen Konventionen geprobt, schweißige Partys und der dazu gehörige Rausch gefeiert oder auch der mittlerweile arg angestaubte Freiheitsdrang beschworen – mit doch tatsächlich noch einmal Bonnie & Clyde als Vorbild (“Autobahn“). Zitat: „Wenn unter uns der Asphalt bebt“.

Ein Song heißt sogar „Easy Rider“, aber der hat sogar etwas Humor: „Keine Ampel kann mich stoppen, rotes Licht heißt für mich Poppen.“ Trotzdem aber bewegt sich die ganze Unternehmung mitunter arg knapp an der Grenze zur Parodie. Aber meistens gelingt es dem Trio, doch noch rechtzeitig die Kurve zu kratzen. So bleibt nicht nur das Festhalten an den alten Werten erstaunlich, sondern El*ke schaffen es tatsächlich, der guten alten Tante Punk noch mal etwas Leben unter den Rock zu blasen. Der eine oder andere wird den ironischen Abstand vermissen, mit dem Die Ärzte das Genre noch erträglich gestalten, aber womöglich treten El*ke ja demnächst den Toten Hosen in den abgemagerten Punkerarsch. Die schließlich hätten ein bisschen kreative Konkurrenz tatsächlich mal nötig.

Ebenfalls zurück in die Siebziger führen uns Earthbend. Sie allerdings beziehen ihre Einflüsse aus einer Zeit, als die Punk-Revolution noch nicht abzusehen war. Aus einer Zeit, als Rock noch große, epische Geschichten erzählte, als Handwerk noch zählte und Musikers liebstes Hobby das Groupie-Zählen war. Auf ihrem neuen Album „Harmonia“ beginnen sie gleich mit einem zehnminütigen Monster von Song, das so ziemlich jede Rock-Stanze durchdekliniert, die der Fundus herzugeben bereit war. Verhallte Gitarren-Riffs und Jammer-Orgel, verfremdete Stimmen, dann zieht der Rhythmus an und schließlich die ersten Zeilen, die anzeigen, dass hier jemand ganz bestimmt vorhat, auch fürderhin um den eigenen Bauchnabel zu kreisen: „I feel I sink like a stone“.

Sicherlich hat das Berliner Trio Recht, wenn es reklamiert, dass in manchen ihrer kleinen Rockopern mehr Ideen stecken als andere bisweilen in ganze Alben packen. Die Frage ist allerdings: Braucht die Welt all diese Ideen? Oder, wenn man das größere Bild betrachtet: Braucht man heute noch solch demonstratives Muckertum?

Wer letztere Frage spontan mit Ja beantwortet, dem verschaffen Earthbend mit großer Könnerschaft viel Freude. Alle anderen legen sich vielleicht lieber alte Platten von Yes oder King Crimson auf. THOMAS WINKLER

El*ke: „Häuser stürzen ein“ (It Sounds/ EMI), 28.8. live beim Konzert mit Iggy & The Stooges

Earthbend: „Harmonia“ (Rookie/ Cargo)