hochwasser : Pädagogischer Regen
Wie sich die Bilder gleichen: Ein halbes Jahr nach dem großen Regen werden wieder Sandsäcke gestapelt, staken wieder Feuerwehrleute im Schlauchboot durch Fußgängerzonen, waten wieder Menschen durch hüfthohes, eiskaltes Wasser zu ihren abgesoffenen Autos, verwandeln sich wieder Flußauen in sagenhafte Seelandschaften.
Kommentarvon NICK REIMER
Gleichen sich die Bilder? Nur auf den ersten Blick. Diesmal nämlich sind die Journalisten gleich an den Brennpunkten des Geschehens – und nicht wie bei Mulde, Müglitz oder Zschopau erst vor Ort, als das Wasser längst abgeflossen ist. Diesmal nämlich sind die Krisenstäbe nicht überfordert, sondern jederzeit Herr der Lage. Diesmal berichten die Reporter von „sinkenden Pegeln“, von „entspannter Lage“. Und diesmal hat es getaut und geregnet – Wetter, das nicht unüblich ist für diese Jahreszeit.
Kein „unnormales“ Hochwasser also – aber doch ein sehr dienliches. Denn als hätte Wasser nie demonstriert, wozu es fähig ist, wird knapp ein halbes Jahr nach der großen Flut wieder gebaut, gepflastert, zersiedelt, was das Zeug hält. Hatte der Regen im Erzgebirge nicht für Angst und Schrecken gesorgt? Ach was: Erzgebirgische Bürgermeister appellierten bereits kurz nach Ende der Flut dafür, „nicht ausschließlich nach ökologischen Gesichtspunkten wiederaufzubauen“. Hatten sich die Landesumweltminister nicht darauf verständigt, den Flüssen wieder mehr Raum zu geben? Ach was: Der Gewerbepark Nünchritz steht schon wieder – im Überflutungsraum. Hatte Sachsens Ministerpräsident Georg Milbrath bei der Ortsbesichtigung im überschwemmten Röderrau nicht gemosert: Hier hätte nie gebaut werden dürfen? Ach was: Die zum Abriss vorgesehene Siedlung ist längst nett saniert. Hatte die Bundesregierung nicht endlich den Elbausbau zu den Akten gelegt? Ach was: Sachsen-Anhalts Regierung besteht auf dem Saaleausbau. Und an der Müglitz wird das Flussbett ausgebaggert – damit die nächste Sturzflut schneller ins Tal tosen kann.
Nun macht uns das Winterhochwasser klar: Obwohl im Sommer an Mulde oder Elbe nie für möglich gehaltene Pegel gemessen wurden – es war verfrüht, von einer Jahrhundertflut zu sprechen. Denjenigen an Mosel, Saale, Naab oder Unstrut, die damals ungläubig im Wohnzimmer das Hochwasserfernsehen konsumierten, sagen die Bilder jetzt: Es kann auch uns treffen. Es stimmt eben nicht, dass man aus Schaden klug wird. Vielleicht aber aus wiederholtem Schaden.
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