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Archiv-Artikel

Erbsensuppe für die Stars

Das 15. Oldenburg Filmfestival verwöhnte seine Gäste mit Knast und Eintopf

„Hier kriegen die Stars ihre Erbsensuppe!“ flüsterte eine Oldenburgerin beim Einkaufsbummel am Samstag Mittag ihrem Begleiter zu, und tatsächlich war ein Imbiss in der Fußgängerzone der Stadt für ein paar Momente eines der Gravitätszentren internationalen Filmschaffens. Alle amerikanischen und deutschen Gäste scharten sich um den Festivalleiter Thorsten Neumann, der die Gutscheine für Eintopf und Getränke ausgab und sich dann zufrieden die weidende Herde ansah. Nein - nicht alle waren gekommen, denn Marius Müller-Westernhagen verzichtete. Aber der musste ja auch ein paar Stunden später in den Knast. „The Prison Screening“ nennt das Branchenmagazin „The Hollywood Reporter“ diese Tradition, einige Filme auch in der JVA Oldenburg zu zeigen. Diesmal durften sich die Knackis den Gaunerschinken „Der Schneemann“ mit persönlich anwesendem Hauptdarsteller ansehen, und Müller-Westernhagen wurde von ihnen gefeiert, als wäre er Johnny Cash.

Diesmal hatte Neumann Glück mit seinen Gästen. Im letzten Jahr kam Abel Ferrara nicht, aber nun waren James Toback, Michael Wadleigh und LeVar Burton da - und dabei war es vielleicht sogar ganz gut, dass diese Namen allgemein kaum bekannt sind. LeVar Burton würden einige vielleicht noch auf der Straße erkennen, denn er spielte einst in der TV-Serie „Roots“ den afrikanischen Stammvater Kunte Kinte und später dann in „Raumschiff Enterprise“ den blinden Ingenieur Geordi La Forge. Burton war nicht nur als Vorsitzender der Jury für den „German Independence Award“ eingeladen, sondern zeigte auch bei der für Oldenburger Verhältnisse glamourösen „Filmfest-Nacht im Staatstheater“ seinen Regiedebüt „Reach für Me“ . Aber leider war der Film eine der wenigen Enttäuschungen des Festivals, denn LeVar Burton traut sich zwar mit diesem Drama über Todkranke in einem Hospiz an ein schwieriges Thema, aber in der Umsetzung kam er auch hier nicht über das Niveau einer Fernsehserie hinaus.

Michael Wadleigh hat dagegen mit nur zwei fertig gestellten Filme Kinogeschichte geschrieben. Der Undergroundfilmer wurde einst durch seinen Konzertfilm „Woodstock“ zu Millionär und drehte dann den stilbildenden Okö-Thriller „Wolfen“. In Oldenburg verkörperte er mit Stirnband und langem Haar den ewigen Hippie und überlistete die Pressefotografen dadurch, dass er selber immer dann, wenn sie ihn fotografierten wollten, selber eine Fotokamera zückte und sie abknipste. Aber die Offenbarung des Festivals war eindeutig James Toback - ein Regisseur, von dem kaum jemand etwa gehört hatte, der aber seit den späten 70er Jahren kontinuierlich hochintelligente und originelle Filme inszeniert. Sein Opus Magnum ist immer noch „Fingers“ von 1978, in dem Harvey Keitel einen Geldeintreiber spielt, dessen Obsession es ist, als klassischer Pianist zu arbeiten. Jacques Audiard drehte vor zwei Jahren mit Romain Duris ein sehr eindrucksvolles Remake davon, aber das Original ist noch viel wilder und kühner.

Neben solchen Entdeckungen wie „When Will I Be Loved“ von 2004, der am ehesten noch mit einer Jazzimprovisation zu vergleichen ist, bei der die Schauspielerin Neve Campbell die schönsten Soli spielt, stellte Toback seine Dokumentation „Tyson“ über den Boxer vor. „sex, race und risk“ waren immer Tobacks zentralen Themen, und bei den Vorführungen erzählte er analytisch und komisch von seinen Filmen. Besser kann ein Publikum kaum in das Werk eines Regisseurs eingeführt werden. Die Erbsensuppe hat er übrigens genossen. Wilfried Hippen