piwik no script img

Archiv-Artikel

Kirchenkampf bedroht Uni-Radio

Leipziger Programm Mephisto 97,6 soll wegen unliebsamer Berichterstattung den Sendeplatz wechseln

LEIPZIG taz ■ Weil das Leipziger Uni-Radio Mephisto 97,6 so gar nicht im Sinne des obersten Rundfunkaufsehers im Freistaat Sachsen arbeitet, ist nun offenbar sein Sendeplatz gefährdet.

Hintergrund des Streits sind die umstrittenen Planungen für einen Wiederaufbau der 1968 gesprengten Universitätskirche. Zu den Lobbyisten für den Nachbau der Paulinerkirche gehört auch das CDU-Mitglied Kurt-Ulrich Mayer. Mayer ist Leiter der Sächsischen Landesmedienanstalt (SLM), die im Land die Radiofrequenzen vergibt.

Das von den Studierenden in Eigenregie betriebene Mephisto 97,6 berichtete umfassend und kritisch über den seit langem schwelenden Kirchenkonflikt, der die Uni Leipzig bereits ihren Rektor gekostet hat. Weil die Uni-Leitung einen altneuen Kirchenbau am historischen Ort ablehnt, die sächsische Landesregierung diesen aber durchsetzen will, trat Volker Bigl Ende Januar zurück. In einer persönlichen Erklärung warf Bigl der Landesregierung ein „katastrophales Demokratieverständnis und eine Überheblichkeit der Macht, die ihresgleichen sucht“, vor.

Die SLM will nun das Studentenradio, das sich derzeit mit dem Dudelfunk Oldie FM eine Frequenz teilt, auf einen anderen Sendeplatz verschieben. Bisher galt für die Oldie FM die Lizenzauflage, täglich vier Stunden lang das Programm von Mephisto 97,6 zu senden. Der kommerzielle Sender fordert nun eine 24-Stunden-Lizenz, und die SLM zeigte sich äußert nachgiebig. Vergangene Woche verschickte sie schon Pressemitteilungen, dass sich das Uni-Radio um neue Frequenzen bemüht hätte. Davon ist der Redaktion allerdings nichts bekannt.

„Das ist die wütende Reaktion eines erzürnten Medienamateurs“, kommentiert die SPD-Landtagsabgeordnete Margit Weihnert die SLM-Volte. Rüdiger Steinmetz, Programmchef von Mephisto und Professor am Institut für Journalistik, das das Uni-Radio auch zur praktischen Ausbildung nutzt, mag so weit nicht gehen: „Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Wenn es allerdings diese Zusammenhänge gäbe, wäre es untragbar und letztendlich fatal.“ Bereitschaft zum Frequenzwechsel hat Mephisto jedenfalls nicht signalisiert: „Das ist einfach nicht wahr“, sagt Chefredakteurin Charlotte Schelten-Petersen.

Die SLM begründet ihr Ansinnen damit, „dass derjenige, der mit der Frequenz kommerziell arbeiten muss – und das ist Oldie FM –, diese Frequenz auch 24 Stunden nutzen kann“, so SLM-Sprecher Martin Deitenbeck. Dabei hatte die Anstalt die gemeinsame Sendelizenz von Oldie FM und Mephisto erst vor einem halben Jahr bis 2009 verlängert. Jetzt soll Mephisto 97.6 auf drei verschiedene schwache Stadtfrequenzen aufgesplittet werden – und wäre so für deutlich weniger HörerInnen zu empfangen. Dabei ist das Programm in der tristen, von Dudelfunkern bestimmten sächsischen Privatradiolandschaft mit 40 Prozent Wortanteil und Informationen zum kulturellen wie politischen Leben in der Region Leipzig eine Ausnahme. Doch die SLM, die auch die Programmqualität bei ihren Entscheidungen zu berücksichtigen hat, ficht das nicht an. Man denke, so Sprecher Deitenbeck, „ebenso wie die sächsische Staatskanzlei“, dass ein Uni-Radio „nicht bis zum Hermsdorfer Kreuz zu hören sein muss“.

THOMAS MATSCHE, MARION NAGEL