: Noch nie war es am Nordpol so warm wie 2007
Die Erwärmung der Arktis wird immer dramatischer. Der Meeresspiegel steigt innerhalb von nur einem Jahr um 2,5 Millimeter
STOCKHOLM taz ■ Die Erwärmung der Arktis nimmt dramatische Formen an. Das vergangene Jahr war das wärmste überhaupt seit Beginn regelmäßiger Messungen, und die Temperaturen liegen dort jetzt 5 Grad über dem Normalwert. Dies meldet der dritte Arktis-Report von 46 WissenschaftlerInnen aus zehn Ländern, den die US-Behörde NOAA („National Oceanic and Atmospheric Administration“) jetzt vorgelegt hat.
„Wir sehen in der Arktis einen Dominoeffekt“, sagt James Overland, ein Ozeanograf am NOAA-Marine-Laboratorium in Seattle und einer der Mitverfasser des Reports: „Und wir können den hier viel deutlicher beobachten als in anderen Regionen.“ Die steigenden Lufttemperaturen seien eine Folge der Eisschmelze. Im vergangenen September war die Eisdecke im arktischen Meer mit 4,3 Millionen Quadratkilometer auf die kleinste, in diesem Jahr mit 4,7 Millionen auf die zweitkleinste Ausdehnung zusammengeschmolzen. Das habe den Effekt, dass sich das eisfreie Wasser des arktischen Meeres durch die von ihm absorbierte Sonneneinstrahlung weiter erwärme, was die Eisschmelze wiederum verstärken werde. Und die Erwärmung der Luft habe auf Grönland dazu geführt, dass dort die Inlandeisdecke im vergangenen Jahr ein Volumen von über 100 Kubikkilometern verloren habe.
Die Rückwirkungen auf das Ökosystem dieser Region sind umfassend. Für einige Tierarten wie Eisbären verschwindet der Lebensraum, für andere wie Gänse erweitert er sich. Auf den Bestand der Wale gibt es offenbar unterschiedliche Auswirkungen. Einige, wie der vom Aussterben bedrohte Grönlandwal, profitieren anscheinend von einem zusätzlichen Nahrungsangebot. Der Narwal-Bestand geht hingegen zurück, und beim Beluga sind die Zahlen je nach Stamm unterschiedlich.
Weitere Veränderungen sind: Das Land erwärmt sich, der Dauerfrostboden schmilzt und bietet Platz für neue Pflanzen. Die Arktisregion wird grüner, die Schneeschmelze beginnt immer früher. Gletscher schrumpfen, der Zufluss von Süßwasser ins Arktismeer nimmt zu.
Nicht nur regionale, sondern globale Auswirkungen hat die Erwärmung der Arktis schon jetzt. Durch das Verschwinden des Dauerfrostbodens wird das bisher dort gebundene Methan in die Atmosphäre freigesetzt. Ein vielfach schädlicheres Klimagas als Kohlendioxid, das damit den Treibhauseffekt zusätzlich anheizt. Und der Anstieg des Meeresspiegels um 0,25 Zentimeter binnen eines einzigen Jahres, der primär auf die Grönlandeisschmelze zurückzuführen sei, ist laut NOAA „bislang noch nicht da gewesen“. REINHARD WOLFF