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Archiv-Artikel

Know-how für alte Anstalten

Die Beraterbranche hat die Verwaltung als Markt entdeckt – obwohl der Verdienst dort längst nicht so hoch ist wie in der Privatwirtschaft

Was machen Politiker, deren Parteikarriere zu Ende ist? Immer häufiger lautet die Antwort: Sie wechseln zu einer Beratungsfirma. Wie zum Beispiel Matthias Machnig. Einst war der 43-Jährige Staatsekretär im Bundesverkehrsministerium, später SPD-Bundesgeschäftsführer. 1998 und 2002 leitete Machnig erfolgreich den SPD-Bundestagswahlkampf – doch dann wurde er nicht mehr weiterbeschäftigt bei den Sozialdemokraten, weil sich die Spannungen zwischen ihm und Kanzler Schröder nicht überbrücken ließen.

Machnig wechselte in die Privatwirtschaft. Zunächst war er bei der Beratungsfirma BBDO Consulting in Düsseldorf beschäftigt – seit drei Wochen gehört er nun der Geschäftsleitung von Booz Allen Hamilton (BAH) an. Damit hat sich Machnig im Ranking deutlich nach vorn geschoben, ist doch BAH die sechstgrößte Beratungsfirma in Deutschland, während BBDO nur auf Platz 17 liegt.

Der Marktwert von Expolitikern und Exverwaltungsbeamten steigt – erhoffen sich doch viele Beratungsfirmen, dass sie so einen besseren Kontakt zum public sector bekommen, wie sie Ämter und Ministerien peppig nennen. Denn nur dieser Bereich wächst, während der deutsche Beratungsmarkt insgesamt stagniert. 2002 lag der Branchenumsatz bei 12,3 Milliarden Euro. „Und 2003 sah es nicht besser aus“, schätzt Klaus Reiners vom Bundesverband deutscher Unternehmensberater (BDU). Auch für 2004 erwartet man höchstens ein leichtes Wachstum.

Nur der Beratungsbedarf der Verwaltung nimmt stetig zu – jährlich um etwa 7 Prozent. Und das Erfreuliche: Er wächst antizyklisch. Je schlechter es der Wirtschaft geht und je geringer die Steuereinnahmen, desto höher ist der Kostendruck in den Ämtern. Also werden Berater angeheuert, um die Effizienz zu steigern. Oft ist ihr Know-how gewünscht, manchmal auch nur ihre psychologische Wirkung: „Es ist für Behördenleiter intern einfacher, wenn sie sich unbequeme Wahrheiten durch Unternehmensberater bestätigen lassen“, sagen Branchenkenner. Allerdings: Das sei in der privaten Wirtschaft genauso. Auch Manager scheuen die Konfrontation mit Mitarbeitern.

Doch auch wenn der public sector wächst – insgesamt spielt er kaum eine Rolle im Beratungswesen. 2002 soll er knapp 9 Prozent, etwa eine Milliarde Euro, zum Umsatz beigetragen haben. Der Rest wurde bei Privatunternehmen erwirtschaftet.

Zudem gilt die Verwaltung als schwieriger Kunde. Das fängt mit den Gehältern an. Im Durchschnitt werden an die Berater etwa 1.000 Euro pro „Personentag“ gezahlt. Die Sätze für die Privatwirtschaft liegen weit drüber; dort kann ein „Senior Consultant“ 1.650 Euro verlangen. So geben es die BDU-Honorarempfehlungen vor. Allerdings sah sich BDU-Präsident Rémi Redley auf dem letzten Beratertag gezwungen, eindringlich vor Dumping zu warnen. Die Flaute macht die 68.000 Berater in Deutschland kompromissbereit.

So erklärt sich auch, dass selbst McKinsey inzwischen den öffentlichen Dienst als Markt entdeckt hat. Die Beratungsfirma gilt als die edelste Adresse der Branche. Doch nun muss sich selbst die Beratungselite damit abquälen, auf Ausschreibungen mit umfangreichen Schriftsätzen zu antworten und Spezialanwälte für Vergaberecht zu beschäftigen. Denn so lukrativ ist das meistens nicht: Großaufträge sind in der Verwaltung sehr selten. Schließlich gibt es überhaupt nur drei wirklich bedeutende öffentliche Arbeitgeber: die Bundesagentur für Arbeit, die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte – und die Bundeswehr.

Dort ist mit 14,3 Millionen Euro vor allem die Beratungsfirma Roland Berger zum Zuge gekommen, wie sich im Dezember herausstellte, als die Auftragsvergabe öffentlich moniert wurde. Trotz dieser lukrativen Großaufträge besteht die Firma aber darauf, dass sie nur 6 Prozent ihres Umsatzes in der öffentlichen Verwaltung erwirtschaftet – damit würde sie noch unter dem Branchendurchschnitt liegen. Doch die Konkurrenten behaupten beharrlich, dass Berger in Wirklichkeit fast doppelt so viel an öffentlichen Honoraren kassiert.

Überhaupt Roland Berger: Sein Beziehungsnetz in die Politik hinein ist legendär. So war er schon als Bürgermeister für Berlin im Gespräch oder als Wirtschaftsminister im Schattenkabinett Stoiber. Gleichzeitig soll er auch mit Kanzler Schröder gut können. Nur Bergers vielfältigen politischen Kontakten schreiben es Beobachter zu, dass sich die Beratungsfirma derart erfolgreich um öffentliche Aufträge bewirbt. Denn tatsächlich habe sie wenig zu bieten: Bei den Privatkunden würde Berger eher schlicht vorgehen und vor allem „restrukturieren, also entlassen“. Und genau das sei bei der Verwaltung bekanntlich unmöglich.

Kontakte sind in der Branche bares Geld wert – ob die Experten nun die öffentliche Verwaltung oder Unternehmen beraten. Überall wollen sich die Auftraggeber letztlich nur Menschen anvertrauen, die sie schon kennen. Daran kann auch ein sehr kompliziertes Vergaberecht anscheinend nichts ändern. Es dürfte daher wenig bringen, es noch stärker zu reglementieren. Dietmar Fink, Professor für Unternehmensberatung in Bonn, sieht daher nur eine Lösung: „Verwaltungschefs müssen nach Erfolg bezahlt werden. Dann würden sie sich automatisch nur noch für das beste Angebot entscheiden.“

ULRIKE HERRMANN