Geschlossen gegen Gerster

Am Ende waren sie sich so einig wie nie: Arbeitgeber, Gewerkschaften und selbst der Wirtschaftsminister waren für die Entlassung des Chefs der BA

VON ULRIKE HERRMANN

Florian Gerster ist kein Sympathieträger. Das hat der ehemalige Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA) nun schriftlich. Die geheime Abstimmung im BA-Verwaltungsrat fiel am Samstag eindeutig aus: Nur ein einziges Mitglied wollte Gerster halten – 20 waren gegen ihn. So geschlossen votieren die Vertreter von Arbeitgeber, Gewerkschaften und öffentlicher Hand nur selten.

Die Begründung liest sich allerdings skurril: Es schimmert durch, dass sich Gerster keine eindeutigen Fehler nachweisen lassen. Der Verwaltungsrat stellt einfach fest, dass das „Vertrauensverhältnis gestört“ sei – und zwar „unabhängig von den Verstößen gegen das Vergaberecht und Verfahrensfehlern“. Man wollte Gerster los werden, egal wie, und gibt dies offen zu.

Plötzlich war nicht mehr so wichtig, was bis dahin die öffentliche Debatte beherrscht hatte: Ob einige externe Berater rechtswidrig beschäftigt worden waren. Die BA-Innenrevision hat inzwischen alle 49 Verträge überprüft, die ein Volumen von 200.000 Euro übersteigen – und legte dem Verwaltungsrat am Samstag einen Zwischenbericht vor.

Die Bilanz der Kontrolleure: Nur in zwei Fällen sei das Vergaberecht eindeutig nicht beachtet worden – bei einem Vertrag mit IBM über 684.000 Euro sowie bei einem Auftrag an die Beraterfirma Roland Berger mit einem Gesamtvolumen von etwa einer Million Euro. Bei beiden Summen muss noch die Mehrwertsteuer hinzugerechnet werden.

Insgesamt beschäftigt die Agentur 26 Beratungsunternehmen; 65 Millionen Euro werden 2003 und 2004 für den externen Sachverstand ausgegeben. Am meisten profitiert McKinsey: 23,2 Millionen Euro kassiert die Beraterfirma für ihre Dienste. Es folgen Roland Berger mit 9,86 Millionen Euro, Accenture mit 5,2 Millionen Euro, Ernst & Young mit 2,54 Millionen Euro und IBM mit 1,41 Millionen Euro.

Allerdings wurde keiner dieser Verträge direkt vom Vorstand vergeben, sondern von den Fachabteilungen. Finanzvorstand Frank J. Weise wusste von der Vergabepraxis mindestens so viel wie Gerster – und ist nun als ein möglicher Nachfolger im Gespräch. Wenn es also nicht die umstrittenen Beraterverträge sind, welche Verfehlungen werden Gerster dann angelastet? Etwas vage heißt es im Beschluss des Verwaltungsrats, dass Gerster „durch eigenes Handeln und Verhalten“ den „Reformprozess erheblich beeinträchtigt“ habe.

Was dies nun meinen sollte, erläuterte das Präsidium des Verwaltungsrats lieber mündlich. Es geht um die „Negativschlagzeilen“. DGB-Vizechefin Ursula Engelen-Kefer kritisierte, dass Gerster „in seiner Person Pfeile auf sich zieht“. Und Arbeitgebervertreter Peter Clever monierte, „dass Herr Gerster als Person mittlerweise dem Reformprozess mehr schadet als nützt“.

Die „Person“ Gerster soll also selbst schuld gewesen sein – und sicher hat er Fehler gemacht. So galt er allgemein als arrogant. Aber das ist noch kein Rücktrittsgrund. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) spricht offen von einer „Kampagne“. Aber von wem? Sicher ist, dass es gezielte Indiskretionen gab, die interne BA-Informationen an die Medien reichten. Das können nur Mitarbeiter gewesen sein – oder Mitglieder des Verwaltungsrats.

So wird etwa den Gewerkschaften unterstellt, sie hätten sich dafür rächen wollen, dass so stark bei der Weiterbildung gekürzt wurde – was auch gewerkschaftsnahe Bildungseinrichtungen trifft. Der Haken an dieser Theorie: Es ist recht unwahrscheinlich, dass die Gewerkschaften derart naiv sind, anzunehmen, dass ein neuer BA-Chef prompt den Weiterbildungssektor ankurbelt. Die Arbeitgeberseite wiederum soll mit der Union paktieren, die Gerster angeblich abschießen wollte, um Kanzler Schröder zu schwächen. Auch nicht gerade überzeugend: Personalwechsel sind immer eine Chance für die Regierung, sich zu profilieren.

So ist bisher nur eines wirklich klar: wie viel Florian Gerster mit seiner Zwangspause verdienen wird. Nämlich drei Jahre lang das halbe Gehalt eines Bundesministers.