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Archiv-Artikel

Eine Nation grinst diabolisch

Mit der Initiative „Elf Designer für Deutschland“, die heute ihre Alternativentwürfe präsentiert, eskaliert der Streit um das Logo für die Fußball-WM 2006. Zwei taz-Autoren mit Pro und Contra

Farbe an Farbe, Gott, sind die witzig. Computererzeugte Happynese.

Nachdem das Logo im November präsentiert wurde, erweckten die geharnischten Reaktionen auf das Emblem zur WM 2006 den Eindruck, der Leibhaftige habe den Stift aufs Papier gesetzt, um drei monströse Fratzen zu krakeln, die ob ihres diabolischen Grinsens eine ganze Nation in Aufruhr versetzen können. Und tatsächlich: Ein Aufschrei des Entsetzens erhob sich und ist bis heute nicht verhallt. Man ätzte allerorten über diese unerhörte High-End-Geschmacklosigkeit und die debile Smarties-Familie. Harald Schmidt meinte: „Eine Nation, die das Bauhaus hervorgebracht hat, sollte sich was schämen!“

Die Süddeutsche nörgelte über die „drei Rundschnäbel“, die Frankfurter Rundschau unterstellte Witzlosigkeit und äußerte staatstragend ihr Bedauern. Die FAZ erblickte „drei Jeckenköpfe“ und beklagte die „schwere Symbolik“. Spiegel online bat alsbald zum Gegenwettbewerb, da das von der Fifa präsentierte Logo einfach nur „infantil“ sei. (Den ersten Platz belegte wiederum ein Smiley, von zittriger Hand gemalt, der dem Betrachter die Zunge rausstreckt). Auch die Design-Gilde schäumte vor Wut. Als sitze ein rostiger Nagel im Fleisch der deutschen Designer, schrieb die Fachzeitschrift Form von einem „gestalterischen Desaster“. Ein Verhängnis, dass man nicht auf sich sitzen lassen wollte.

Mit der Initiative „11 Designer für Deutschland“ wurde deutsches Design emblematisch tätig. Die Ergebnisse werden heute in Berlin präsentiert. Die Süddeutsche Zeitung hat sich dem Vorhaben aufgepfropft und behauptet frech: „Es gibt niemandem, dem das Grinse-Logo gefällt.“ Das ist gelogen. Es hat seine Anhänger. Sie verfügen aber weder über die Interpretationshoheit, noch vermögen sie Meinung zu machen. Sagen wir, der einfache Fußballfan sieht in dem zugegebenermaßen wenig elaborierten Logo ein Gebrauchsgut, das während einer WM funktionieren muss. Mehr nicht. Es steht verschämt im Vorspann von TV-Übertragungen. Der Zuschauer stellt eine flüchtige Verknüpfung zwischen Ereignis (Fußball) und Zeichen (Logo) her. Das WM-Logo soll dabei nicht dominant sein, um nicht die wirklich wichtigen Marken-Logos zu überdecken. Denn Coca-Cola oder DaimlerChrysler wollen keine aufdringliche Konkurrenz – und sei es nur für den Zeitraum einer Fußball-Weltmeisterschaft.

Wer kann sich noch an das Logo der letzten WM in Japan und Korea erinnern? Die Wenigsten. Was man also den drei Grinseköpfen vorwerfen kann, ist, dass sie sich nicht dezent im Hintergrund halten, dass die Öffentlichkeit nicht indifferent darauf reagiert und damit das Logo auch nicht die verblassende Präsenz einer Einweg-Zeichnung ausüben kann. Statt eines Palimpsests ist, uups, ein Markenzeichen kreiert worden. Im krampfigen Bemühen, den von der wirtschaftlichen Depression geplagten Deutschen ein notorisch heiteres Gemüt unterzujubeln, ist aus unauffälligem Normalo-Design ein logoistischer Hotspot geworden.

Nun stehen nicht mehr nur drei harmlose Lachsäcke zur Diskussion, sondern das Wohl und Wehe einer ganzen Nation, die vermittels einer Zeichnung äußerst emotionalisiert über ihr Selbstverständnis diskutiert. „Drei Jahre Lächerlichkeit im Vorfeld der WM sind kein gutes Zeichen. Das kann keiner ertragen“, heißt es von den 11 Designern. Solch ein Logo könne Identität stiften und ein neues nationales Zusammengehörigkeitsgefühl evozieren, sagen sie. Aber das ist nicht Aufgabe eines WM-Logos, welches sich, um nicht provokant zu sein, hinter den echten Markenzeichen der Globalisierung zu verstecken hat. Das macht die Smarties-Familie nicht. Das ist doch was! In Wahrheit sind die drei heimliche Globalisierungsgegner. Gut gemacht, Fifa! MARKUS VÖLKER

Das lächerliche Logo schafft zunächst nur eins: Es schafft das Bedürfnis zu diskutieren. Deshalb muss man eigentlich auch froh sein, dass das Logo so und nicht anders aussieht. Wie sieht es denn aus? Eine Vorbemerkung: 1972 wurde die BRD unter dem luftigen Dach des Münchner Olympiastadions bunt. Sie wurde so bunt, wie der reproduzierbare Regenbogen der damaligen Zeit Farben fassen konnte; oder, anders gesagt, sie wurde so bunt, wie sich die schwule Subkultur noch heute zu erkennen gibt. 31 Jahre später schaue ich auf ein Logo und sehe: das farbige Innenleben der Solero Shots von Langnese. Ich habe es ja geahnt, sie sind verstrahlt, diese Eistropfen aus der Tube. Was ich bisher nicht wusste: sie spielen da drinnen, sie reiben sich, Farbe an Farbe, Gott, sind die witzig. Computererzeugte Happynese. Ja und, wo liegt denn da das Problem? Genau, das frage ich mich gerade selber.

Jede Zeit hat doch die Oberflächen, die sie verdient und generieren kann. Das Problem liegt wohl eher darin, dass ich auf das erste sichtbare Zeichen für die in dreieinhalb Jahren in diesem Land stattfindende Fußball-WM gestoßen bin und (unfreiwillig) eine erste Ahnung von der drohenden Gesamtinszenierung bekomme. Diese Kreismeisterschaft war ja erst der Anfang. Was noch, unvermeidlich, kommen wird: das Maskottchen. Der Song. Die Plakate. Der Trailer … Und André Heller, den ich gar nicht kritisieren möchte, er macht halt seine Sachen. Aber man sollte sich trotzdem einmal hinsetzen und recherchieren, wann er – oder auch Willy Bogner – wann und vor allem von wem diese Leute (ein-)berufen werden, um zu inszenieren.

Das wird alles kommen. Nur wie es kommen wird, das ist (noch) vermeidbar. Oder etwa nicht? Während der letzten Fußball-Weltmeisterschaft in Asien habe ich gedacht, dass man eigentlich einen wöchentlichen Fußball-WM-in-Deutschland-Check einführen sollte. Eine regelmäßige Kontrolle zum Stand der Dinge: Was passiert beim DFB, wer entscheidet – oder klüngelt – da mit wem, und warum passiert es gerade auf diese Art und Weise. Die jetzige Diskussion zeigt, es gibt anscheinend dringlichen Redebedarf.

In Wahrheit sind die drei heimliche Gegner der Globalisierung. Gut gemacht, Fifa!

Doch, und das ist die große Frage, über was wird eigentlich gestritten? Über eine schlechte Form? Ja. Allgemein über Designfragen? Auch. Ich behaupte aber: Eigentlich murmelt da etwas tiefer sitzendes, etwas schwerer zu greifendes. Logos schaffen Identität und dieses hier verweist direkt auf eine bestimmte Zukunft: Germany 2006. So soll es also aussehen. Soll es so wirklich aussehen?

Vielleicht drückt sich ja in der Unzufriedenheit mit dem Logo und den zu erwartenden kommenden Kapriolen ein Stück weit eine allgemeine Unzufriedenheit über das Jetzt (und das zukünftige Jetzt) aus; darüber, wie es sich formt, wie es in Szene gesetzt und wie es gezeigt wird. Einer Idee eine Form geben: Wie gestaltet man heutzutage am Computer die Zukunft eines Landes? Ich vermute ja leider, dass auch die elf Designer, die löblicherweise die Diskussion ausgelöst haben (nur am Rande: wer hat die eigentlich aufgestellt?), auch nicht viel Neues (an-)bieten werden.

1972, da wurde die BRD luftig und bunt; sie bekam aber auch, neben den unvergessenen Piktogrammen, das Maskottchen, das sie verdiente, nämlich Waldi, den Dackel. Germany 2006 – was soll das sein, wenn nicht Wirtschaftsstandort, Feuerwerk oder Superstars? Eine Antwort darauf kann weiterhin nur – so banal es klingen mag – eine öffentliche Auseinandersetzung geben. Noch sind die Figuren, diese Manga-Pacmans, nicht animiert. Die anderen Fragen, die nach den wirklich schönen Formen und Inhalten, die werden wohl weiterhin nur auf dem Platz beantwortet werden. HENNING HARNISCH