: Die Schwaben des Nordens
Bildschön und sauber, eben Oldenburg: Hunderte Butenbremer wollen am Wochenende ihre Stadt von Dosen, Zigarettenschachteln und weiterem Unrat befreien. Eine zutiefst demokratische Aktion
taz ■ Der Schwabe, das Ländle – ein Hort des Sauberkeitsfimmels. Nicht nur fleißig sind sie, sie kehren auch, bis der Arzt kommt. Manche mögen da mitleidig lächeln, der Württemberger wischt. So das Klischee – und es ist sicher ein bösartiges, wenn auch neiderfülltes. Wer im Bremer Viertel kehrt schon die Straße vor seinem Haus gleich mit?
Dabei hat es seine historischen Gründe, dass die Schwaben „ihr Sach“ im Reinen halten: die Demokratie. Schon seit dem 16. Jahrhundert dürfen im hochprotestantischen Württemberg die Stände mitmischen. Leider führte das zu einer geradezu gigantischen Regelungswut.
Das „Generalrescript“ von 1781 wandte sich gegen „Übelhäuser“: Jeder, der seine Landwirtschaft schlecht betrieb und sein Haus „verludern“ ließ, wurde enteignet. Wer solche „Übelhäuser“ anzeigte, erhielt zur Belohnung ein Drittel des eingezogenen Gutes. „Dies führte zu einem Reglement der täglichen Lebensäußerungen, das auf die Minute genau ablief; man fütterte, mähte, pflügte, gärtelte, nähte, aß und schlief zur gleichen Zeit, auf einem Hof wie dem anderen, fast anstaltsmäßig“, schreibt Klaus Koziol in seinem Buch „Badener und Württemberger – zwei ungleiche Brüder“.
Und nun zum – man möchte fast neidisch sagen – Schwaben des Nordens: dem Oldenburger. Nicht nur, dass das Amt für Umweltschutz stolz seine Schilder in Parks und öffentlichen Anlagen preist, die Hundehalter auffordern, nicht in die Prärie zu orgeln – die Stadtstraßen OLs würden mit täglich einer Tonne Tretminen abgestraft, der Kot berge Infektionsgefahr und Würmer.
Das Engagement der Oldenburger geht weiter. „Hunderte Freiwillige stehen für Oldenburger Frühjahrsputz in den Startlöchern“, freute sich unlängst das Pressebüro der Stadt. Am kommenden Samstag startet nämlich die Aktion „Oldenburg räumt auf“ – und das zum vierten Mal. Bemerkenswert, dass auch an der Hunte die Demokratie bei der Saubermannaktion ihre Finger im Spiel hatte: Das „Großreinemachen“ ist Ergebnis eines „Runden Tisches“ aus dem Jahr 2000. Seitdem sammelten ordnungswütige Oldenburger insgesamt 23 Tonnen Müll, jedesmal machten mehrere hundert Sammler mit – freiwillig.
„Mit der Teilnahme am Frühjahrsputz zeigt jeder Aktive all jenen symbolisch die rote Karte, die durch Unachtsamkeit oder Vorsatz das Erscheinungsbild unserer Stadt verschandeln“, sagt Umweltdezernentin Karin Opphard. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Fast alle Bürgervereine sind beteiligt, auch Sportvereine, Jugend- und Nachbarschaftsgruppen aktiv. Aus Freiwilligen hätten sich inzwischen „Trupps“ gebildet, „Reinigungsbereiche“ seien festgelegt worden. Andere hätten Treffpunkte vereinbart, „um sternförmig mit dem Sammeln von Getränkedosen, Zigarettenschachteln und anderem Unrat zu beginnen.“ Außerdem verteilt die Stadt derzeit in einer „Schwerpunktaktion“ eine Kinderpostkarte zum Thema „Bildschön und sauber, eben Oldenburg!“ Kai Schöneberg
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