: Gottgefälliger Gewinn
Islam-Fonds verwalten weltweit über 200 Milliarden Euro. Auch in Deutschland sind Anlagen in derartige Ethikfonds möglich. Ausgeschlossen sind zum Beispiel Rüstung, Alkohol und Tabak
Weltweit steigt das Angebot islamisch ausgerichteter Fonds. Auch in Deutschland sind Anlagen in derartige Ethikfonds möglich. Investments für das gute Gewissen haben weiterhin Konjunktur. Dies gilt nicht zuletzt für Ethikfonds, deren moralische Richtlinien nicht auf einem christlich-westlichen Wertekanon gründen: die so genannten Islam-Fonds. Bei Zuwachsraten von jährlich rund 10 Prozent verwaltet die islamische Finanzindustrie derzeit ein Fondsvolumen von über 200 Milliarden Euro. Seit 2000 stieg die Anzahl islamischer Investmentprodukte von 40 auf über 100. Sie sind an der Scharia ausgerichtet, dem islamischen Recht. Islam-Fonds stehen jedoch auch Anlegern anderer Weltanschauungen offen. Sie weisen viele Gemeinsamkeiten mit anderen Ethikfonds auf. So investieren sie nicht in Unternehmen, die mit Alkohol, Tabak, Drogen, Pornografie, Glücksspiel oder Rüstung Geld verdienen. Daneben zählt auch Schweinefleisch zu den Ausschlusskriterien.
Eine Besonderheit macht Islam-Fonds jedoch bisher zu Exoten auf dem deutschen Kapitalmarkt: Sie schließen auch Banken und Versicherungen aus. Die Scharia verbietet es, für Geldanlage oder Geldverleih einen Zins zu erheben, gemäß Vers 278 der zweiten Sure des Korans: „Fürchtet Allah und lasset den Rest des Wuchers fahren, so ihr Gläubige seid!“ Deshalb sind Firmen, die mehr als 5 Prozent ihrer Einnahmen aus dem Zinsgeschäft beziehen, tabu. Ebenso aber auch Unternehmen, deren Verschuldung ein Drittel ihres Eigenkapitals übersteigt. Eigentlich widerspricht bereits der Besitz eines Bankkontos den islamischen Grundsätzen. Darum legen strenggläubige Muslime ihr Geld vorwiegend in Firmenbeteiligungen an. Wenn sich ein Girokonto nicht vermeiden lässt, müssen sie die anfallenden Zinsen spenden. Der Islam schreibt vor, dass Geld zirkulieren muss. Besitz gilt als Gnadengabe Gottes, darf nicht einfach lagern und sich vermehren. Er muss der Gesellschaft in irgendeiner Form zugute kommen.
Vor diesem Hintergrund hat sich vor allem seit den 70er-Jahren ein explizit islamisches Finanzwesen etabliert. Nach Angaben des Londoner Institute of Islamic Banking and Insurance (IIBI) gibt es mittlerweile weltweit rund 250 islamische Geldinstitute. Dabei fungiert die von derzeit 54 Staaten getragene Islamische Entwicklungsbank (Islamic Development Bank) in Jeddah, Saudi-Arabien, als eine Art islamische Weltbank. Dieses Bankenwesen entwickelte eine Reihe von islamkonformen Finanzdienstleistungen, die den herkömmlichen Instrumenten ähneln. Der Unterschied zum westlichen Bankensystem besteht vor allem im Management von Risiken: Ein Muslim darf Gewinne nur einstreichen, wenn er dafür ein persönliches Risiko eingeht. So verlangt es das islamische Verständnis von Gerechtigkeit.
Auch deshalb kommt den Investmentfonds im islamischen Finanzwesen große Bedeutung zu. Islamische Banken dürfen ihren Liquiditätsüberschuss in diesen Fonds anlegen. Die Anlageschwerpunkte sind zunehmend international geworden, nachdem man sich anfangs auf Länder des islamischen Kulturkreises konzentriert hatte. Mitte der 80er-Jahre wurde Nordamerika erschlossen, in den 90er-Jahren der asiatische Raum. In europäische Aktien investierende oder einfach weltweit ausgerichtete Fonds werden seit 1994 aufgelegt.
Mittlerweile sind Islam-Fonds auf dem Weltmarkt nichts Ungewöhnliches mehr. Es gibt sogar eigene Indizes: beispielsweise die Familie des Dow Jones Market Index (DJIM) mit 8 Unterindizes sowie die FTSE Global Islamic Index Serie der kuwaitischen Investmentbank The International Investor. Allein für den DJIM Index sind weltweit derzeit rund 1.450 Unternehmen zugelassen. Trotz der Ausschlusskriterien bleiben also noch genug Investitionsobjekte übrig. Unternehmen, die nicht wie Lufthansa Alkohol ausschenken, nicht wie McDonald’s oder Wal-Mart Schweinefleisch enthaltende Produkte anbieten, nicht wie die Allianz Zinsgeschäfte betreiben.
Ein aus Koranlehrern bestehendes Scharia-Board überwacht die Einhaltung der islamischen Anlagegrundsätze. Die Islamic Indices haben gemeinsam mit den Scharia-Boards nicht nur zu einer Professionalisierung, sondern auch zu mehr Transparenz in der Branche geführt. Dies erklärte zum Beispiel Laurent Chappius, Portfoliomanager beim Schweizer Bankhaus Pictet, gegenüber der Financial Times Deutschland. Es verwaltet das Vermögen dreier seit 1998 nach luxemburgischem Recht aufgelegte Islam-Fonds.
Traten Fondsgesellschaften wie Pictet anfangs nur als Manager auf, habe einige europäische Häuser heute bereits eigene Islam-Produkte im Programm. So legte die Schweizer UBS 2000 mit einem Fondsvermögen von 271 Millionen Dollar den Noriba Global Equity Fund (WKN 934 196) auf. Neben Microsoft und IBM zählen BP und auch Exxon Mobil zu den größten Positionen. Als erste deutsche Bank bot die Commerzbank 2000 mit dem AlSukkor European Equity Fund (WKN 922 000) einen Islam-Fonds an. Er wurde von ihrer hundertprozentigen Tochter CICM Fund Management mit Sitz in Dublin gemeinsam mit der saudi-arabischen Dallah-Al-Baraka-Bank gestartet. Inzwischen beläuft sich das Vermögen dieses Fonds auf rund 20 Millionen Euro. Die Deutsche Bank bietet unterdessen Islam-Zertifikate auf europäische (WKN 735 297) und globale (WKN 735 295) Aktien an.
Noch führen islamische Geldanlagen ein Schattendasein. Dabei bekennen sich in Deutschland mehr als 2 Millionen Menschen zum Islam. Bislang haben viele davon ihr Geld im Ausland angelegt, insbesondere in der Türkei. Mit seinen 15 Millionen Muslimen bietet ganz Europa ein großes Potenzial islamisch ausgerichteter Geldanlagen. Nach Angaben der Zeitschrift DMEuro haben sich in der Vergangenheit Islam-Indizes besser entwickelt als die klassischen Indizes.
JÜRGEN RÖTTGER/ECOREPORTER.DE