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Archiv-Artikel

„Bremer geht ins Waldau-Theater“

Insolvenzverwalter Detlef Stürmann ist „verhalten optimistisch“ – wohl auch, weil das Kulturressort die Spielzeit-Zuschüsse mit Verfahrensbeginn wahrscheinlich wieder überweisen darf. Unerreichbar gibt sich Ex-Waldau-Aufsichtsrat Ulrich Nölle

Generalintendant Klaus Pierwoß mag nicht in Plattdeutschdilettieren

Walle taz ■ Neue Vorwürfe gegen Ex-Aufsichtsrats-Chef Ulrich Nölle, Wiederaufnahme des Spielbetriebs und Unmut bei der Leitung des Bremer Theaters über den Versuch, ihr die Waller Komödie unterzujubeln – die Eröffnung des Insolvenz-Verfahrens bringt Bewegung in die Affäre Waldau. Er sei „verhalten optimistisch den Betrieb zu retten“, sagte Insolvenzverwalter Detlef Stürmann nach einem ersten Gespräch mit der Kulturmanagement Bremen. Weder mit der Bürgerschaft noch mit dem Senat habe er in dieser Sache jedoch bisher geredet, dementierte der Rechtsanwalt Falschmeldungen anderer Medien.

‚Den können Sie nicht erreichen‘ heißt’s, wenn man Ulrich Nölle anruft. Schade! Es gäbe so viele Fragen an den geschassten Waldau-Aufsichtsratsvorsitzenden. Doch der Ex-Finanzsenator (CDU) hüllt sich in Schweigen, seit er bei „buten un binnen“ ein Papier in die Kamera gehalten hat. Der Inhalt: Eine Zusage, das Waldau-Theater für 1,2 Millionen Euro zu kaufen. Gezeichnet: Perschau, Kultursenator. Verfasst: im Sommer 2003 – allerdings ohne Rücksprache mit dem Finanzressort. Der Bürgermeister habe sich eben „darauf verlassen“, so Perschaus Sprecher Helge Rehders,„dass ein entsprechendes Angebot des Senats aus dem Jahr 2000 noch gilt“. Eine zu einfache Sicht der Dinge, befand Finanzsenator Ulrich Nußbaum: Das Geschäft platzte (taz, 17.9. 03). Ein allerdings noch älterer Hut Nölles in der Sendung wiederholte die Behauptung, er habe Financiers an der Hand, die das Theater durch Ankauf der Immobilie hätten entschulden können. Die stammt aus dem Jahr 2000 – und war ihm damals Grund genug, das Senatsangebot auszuschlagen. Fraglich, warum es ihm nun attraktiver schien, als das der solventen Investoren. Interessant auch, was der Unerreichbare zu einem neuen Vorwurf zu sagen hätte: Laut Rehders gab es „keine Mitteilung des Aufsichtsrates“ darüber, dass Nölle bereits vor drei Jahren das Gehalt von Waldau-Intendant Michael Derda erhöht hat – ein Vorgehen, das die Behörde als Verstoß gegen die Haushaltsordnung wertet.

„Falls Geld verschwunden sein sollte“, lässt Insolvenzverwalter Stürmann inzwischen wissen, „müssen wir sehen, wie wir da wieder dran kommen.“ Doch noch sei es zu früh, das zu prüfen. „Jetzt geht es erst einmal darum, die Grundversorgung zu sichern – Gas, Strom und Wasser. “ Denn besonders „die Wiederaufnahme des Spielbetriebs“ sei wichtig, „um Einnahmen zu generieren.“ So könne man den Schauspielern wenigstens Gagen für aktuelle Aufführungen zahlen. Ältere Forderungen sperrt das Insolvenzverfahren. Stürmann: „Ich kann nur sagen: Bremer geht ins Waldau!“

Durch die Zäsur frei werden könnten hingegen die öffentlichen Fördermittel: Sie würden wieder dem ursprünglichen Verwendungszweck – sprich: dem Erhalt des Spielbetriebs – zukommen. Zuvor hatte die verschuldete GmbH die Gelder sofort an ihre Gläubiger weiterleiten müssen – was vergangene Woche zum Stopp der Bremer Überweisungen führte.

Derweil dementierte Goetheplatz-Intendant Klaus Pierwoß Gerüchte, sein Haus würde die Waldau-Bühne übernehmen. Angesichts der eigenen Belastung durch die jüngste Mittelkürzung um fast 250.000 Euro komme eine solche Expansion schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht in Frage. Außerdem habe er „keine Lust, Bremen von seiner desaströsen Theaterpolitik“ zu entlasten. Pierwoß: „Fürs Ausmisten sind wir wohl gut genug.“ Die Stadt sei gefordert, ihr bisheriges „Geeiere“ um das Waldau-Theater zu beenden. Mit „sachlichem Rat“ stünde man dabei jederzeit zur Verfügung. In der Tat hatte sich Pierwoß’ Verwaltungsdirektor Lutz-Uwe Dünnwald in einer Arbeitsgruppe zur Erstellung eines Sanierungskonzepts engagiert. Und Waldau-Ex-Interimsgeschäftsführer Jens Walter wurde ebenfalls vom Bremer Theater gestellt. Trotz seines Rücktritts vergangene Woche steht er dem Waldau weiterhin beratend zur Verfügung. Sind das nicht doch erste Schritte in Richtung Westen? Wohl kaum. Mit dem Waldau müsste das Bremer Theater eine sechste Spielstätte dauerhaft bewirtschaften, die mit 508 Plätzen deutlich größer als das Schauspielhaus ist. Insofern hinkt auch der Vergleich mit der befristeten Übernahme des Musicaltheaters im Richtweg: Wegen der Renovierung der Goetheplatz-Bühne gab es dafür tatsächlich Bedarf. Schließlich sprechen auch die Inhalte gegen eine Fusion. „Plattdeutsch war noch nie Gegenstand meiner künstlerischen Betätigung“, erklärt Pierwoß. Qua Herkunft sei er des Idioms zwar mächtig. Er wolle aber nicht in einem Bereich herumdilettieren, in dem er sich nicht auskenne. bes/hb