Neue Chance für Kollektivgründer

Jetzt können auch Genossenschaften gefördert werden. Zumindest wenn ein Teil der Mitglieder von Erwerbslosigkeit bedroht ist und sie in Berlin gegründet werden sollen

BERLIN taz ■ Berlin hat erstmals in Deutschland ein Förderprogramm für die Gründung neuer Genossenschaften aufgelegt, wie es die rot-rote Regierung bereits in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt hatte. Bis zu 75.000 Euro können sie als zinsgünstiges Darlehen erhalten. Antragsberechtigt sind allerdings nur solche Genossenschaften, die das Ziel verfolgen, neue Jobs zu schaffen. Außerdem müssen 70 Prozent der Mitglieder arbeitslos oder von Arbeitslosigkeit bedroht sein. Das Programm ist zunächst auf zwei Jahre angelegt, soll aber bei viel versprechender Entwicklung verlängert werden.

Verbandsvertreter und Wissenschaftler begrüßten, dass Genossenschaften endlich auch unterstützt werden sollen. Bisher sind Kollektivgründungen nämlich in vielen Förderprogrammen ausgeschlossen. Auch Banken lehnen Kredite an Genossenschaften häufig ab, weil sie keine geteilte Haftung akzeptieren. „Wir kommen raus aus der Schmuddelecke“, freut sich Elisabeth Voß vom Netz für Selbstverwaltung und Selbstorganisation.

Zugleich warnen die Experten aber auch vor zu hohen Erwartungen. Zwei Jahre seien als Testphase deutlich zu kurz. Außerdem könnten Genossenschaften an sich kein arbeitsmarktpolitisches Instrument sein. „Wie bei jedem anderen Unternehmen auch braucht man für eine Genossenschaft ein gutes Produkt, einen Markt, ein kompetentes Management und ein gutes Marketing“, sagte Andreas Eisen vom Genossenschaftsverband Norddeutschland auf einer Veranstaltung von Berliner Senat und DGB. Zum Scheitern verurteilt sei es jedenfalls, zu sagen: Da gibt es Fördergeld, also machen wir mal eine Genossenschaft.

Bundesweit gibt es bisher weniger als zehn Genossenschaften, die das Ziel verfolgen, Stellen für arbeitslose Mitglieder zu schaffen. Ein sehr erfolgreiches Beispiel ist die Wohnungsgenossenschaft am Beutelweg in Trier. Die wollte ihren Mitgliedern zunächst bezahlbaren Wohnraum erhalten. Nachdem mehrere langzeitarbeitslose Bewohner im Rahmen von Qualifizierungsprojekten in die Sanierung mit einbezogen wurden, gründete die Genossenschaft ab 1993 zwei Betriebe. Insgesamt hat die Genossenschaft bisher 65 Stellen und 9 Ausbildungsplätze geschaffen. Doch einfach ist es nicht. Überall ist die Eigenkapitaldecke extrem dünn. Oft mangelt es an bestimmten Qualifikationen. „Hausgemacht eG“ in München, die Jobs für gering qualifizierte Frauen schaffen will, hat große Schwierigkeiten, geeignete Mitarbeitergenossinnen zu finden. ANNETTE JENSEN