: Haitis Staatsdiener treten den Rückzug an
In der Zentralregion entsteht ein rechtsfreier Raum. Opposition und Rebellen gegen ausländische Militärintervention
SANTO DOMINGO taz ■ In der haitianischen Zentralprovinz ziehen sich angesichts der weiter vorrückenden Rebellen Staatsangestellte und Polizeiangehörige aus einigen Kleinstädten und Ortschaften zurück. Der Polizeichef von Belladère an der Grenze zur Dominikanischen Republik habe sich entschlossen, das Revier zu schließen und seine Kommandozentrale in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince zu verlegen, meldete der Rundfunksender Radio Metropole.
Auch die Bürgermeisterämter und Polizeireviere in den Kleinstädten Lascahobas und Mirebalais nordöstlich von Port-au-Prince wurden verlassen. In einigen Orten kam nach Augenzeugenberichten zu Plünderungen.
Ministerpräsident Yvon Neptune appellierte an die Vereinten Nationen und die Organisation Amerikanischer Staaten, in den Konflikt zwischen bewaffneten Oppositionsgruppen und haitianischer Regierung einzugreifen. Haiti brauche Hilfe bei der Bekämpfung des Drogen- und Waffenhandels. „Die Polizei ist keinen Armee, die internationale Gemeinschaft muss uns beistehen“, sagte Neptune. 1995 hatte Haiti seine Armee abgeschafft. Die Polizei hat eine Sollstärke von 5.000 Personen.
Sowohl die bürgerliche Opposition als auch der selbst ernannte Bürgermeister der von Rebellen kontrollierten Stadt Gonaives, Winter Etienne, lehnen jedoch eine ausländische Militärintervention ab. „Wir brauchen eine politische Lösung der Krise“, sagte der Sprecher der „Organisation des kämpfenden Volkes“, Paul Denis. In Gonaives sollen sich laut Radioberichten inzwischen mehrere hundert schwer bewaffnete Rebellen sammeln. Sie drohen die viertgrößte Stadt Cap-Haitien und die Hauptstadt Port-au-Prince zu erobern, sollte Präsident Jean-Bertrand Aristide nicht zurücktreten.
Der UN-Sicherheitsrat forderte Haitis Regierung und Opposition auf, im Dialog einen friedlichen Ausweg aus der Krise zu suchen. Doch alle Oppositionsvertreter lehnen Verhandlungen mit Aristide ab. Der Sprecher der „Convergence Démocratique“, Gérard Pierre Charles, sagte der taz, das Oppositionsbündnis mache sich unglaubwürdig, wenn es sich jemals noch mit dem 50-jährigen Staatschef an einen Tisch setze.
Während Frankreich noch prüft, eine Friedenstruppe unter UN-Mandat zu entsenden, lehnte US-Außenminister Colin Powell definitiv die Entsendung von US-Truppen ab. Allerdings bot die US-Regierung „Sicherheitshilfe“ für Haiti an, wenn es zu einer „politischen Einigung“ zwischen Regierung und Opposition komme. Laut der Nachrichtenagentur AP werde in Washington allerdings auch überlegt, ob Aristide zum Rücktritt aufgefordert werden solle. Ein haitianischer Regierungssprecher bezeichnete dies als „inakzeptabel“.
Die Dominikanische Republik verstärkte inzwischen ihre Truppen an der Grenze zu Haiti. Präsident Hipólito Mejía forderte die internationale Gemeinschaft auf, angesichts der „sozialen und wirtschaftlichen Zersetzung Haitis“ einzugreifen.
HANS-ULRICH DILLMANN
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