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Archiv-Artikel

Der monolithische Block

Das Bremer Verwaltungsgericht verhandelte gestern über die Zwangsmitgliedschaft in der Arbeitnehmerkammer. Sie wird wohl nicht gekippt werden – aber offene Fragen bleiben

taz ■ Die Bremer Arbeitnehmerkammer ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Knapp 280.000 in Bremen arbeitende Menschen gehören ihr an – ob sie das wollen oder nicht. Gestern nun brütete die zweite Kammer des Bremischen Verwaltungsgerichts über der Frage, ob diese Plichtmitgliedschaften gegen Verfassungsrecht verstoßen. Zwei Bremer Arbeitnehmer, die von Rechtsanwalt Axel Adamietz vertreten wurden und Mitglieder in der „Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Betriebsräte“ sind, hatten Klage eingereicht, weil sie die nur in Bremen und dem Saarland bestehende Zwangsmitgliedschaft für unvereinbar mit dem Grundgesetz halten.

Der Vorsitzende Richter Ingo Kramer ließ keinen Zweifel daran, dass die Kammer dazu tendiert, die Klage abzuweisen. Es sei „durchaus keine Besonderheit, die allgemeine Handlungsfreiheit durch Zwangsmitgliedschaften in Körperschaften“ einzuschränken, so der Richter – Kramer verwies etwa auf die Industrie- und Handelskammer. Da Weiterbildung im beruflichen Bereich die originäre Kammeraufgabe sei, wofür diese auch am meisten Geld ausgebe, sei die Pflichtmitgliedschaft verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch könne man nicht sagen, dass die Arbeitnehmerkammer „Beute der Gewerkschaften“ sei, so der Richter. Das Wahlrecht für die Kammervertretung schließe durch hohe Hürden des Gesetzgebers lediglich Ad-hoc-Vereinigungen aus.

Rechtsanwalt Adamietz legte Wert auf die Feststellung, dass seine Mandanten nicht die Abschaffung der Arbeitnehmerkammer forderten, sondern sich allein gegen die Zwangsmitgliedschaft aussprächen. Auch die Bremer lebten nicht mehr „im Obrigkeitsstaat des 19. Jahrhunderts, sondern in einem demokratischen, sozialen Rechtsstaat“. Da sei es doch unverständlich, dass sich jeder Arbeitnehmer einer „Zwangsrepräsentation“ durch die Kammer fügen müsse. „Was ist das Allgemeininteresse der Arbeitnehmerschaft, und wer definiert das?“, fragte der Anwalt.

Nur noch 20 Prozent der Arbeitnehmer seien heute gewerkschaftlich organisiert, doch die Gewerkschaften seien „die Besitzer“ der Arbeitnehmerkammer mit ihren knapp 290.000 Mitgliedern. „Da ist nichts unabhängig, das ist ein monolithischer Block mit durchgängiger politischer Ausrichtung“, so Adamietz.

Ein Urteil gab es gestern noch nicht. Es soll den Prozessbeteiligten schriftlich und per Post zugestellt werden. Markus Jox