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Archiv-Artikel

Soja statt Schlachteplatte

Vegetarismus ist Pazifismus: Der New Yorker Künstler Jonathan Horowitz prangert mit seiner Ausstellung „Go Vegan!“ im Büro Friedrich die industrielle Tiertötung und ihre Vertuschung an

von GISELA SONNENBURG

Im Schlachthaus herrscht Krieg. Schock und Schrecken sind an der Tagesordnung. Ein heimlicher Skandal: Etwa 30.000 Kreaturen lassen pro Woche in einem Schlachthof ihr Leben. Der Tierschutz existiert dabei oft nur auf dem Papier, Tierrechtler sprechen von „KZs“, ja von „Mord“ – Fleischfresser vergessen das gern. Als abstrakt verpackte Muskelfasern landen die Viecher zerstückelt im Supermarkt, und ihr Totsein suggeriert, sie seien „sauber“ gestorben. Dem ist mitnichten so: Die industrielle Tiertötung gleicht einer chaotischen Hölle, sie produziert Qualen, so systematisch wie massenhaft.

„Wenn Schlachthäuser Glaswände hätten, wäre jeder Vegetarierer“, predigte schon das tierliebe Traumpaar Linda und Paul McCartney. Außer diesen Ikonen der Musikwelt, die er schriftlich und per Video zitiert, fand der 1966 geborene New Yorker Künstler Jonathan Horowitz noch 200 weitere Prominente im Internet, die als Vegetarier gelten: von Shakespeare bis Jerry Seinfeld, von van Gogh bis Yoko Ono. „Sie alle sind Vorbilder“, sagt Horowitz, der ihre Porträts in grüne Rahmen steckte und seine Ausstellung „Go Vegan!“ in der Galerie Büro Friedrich damit bestückte. Adolf Hitler ist nicht dabei: Dessen Fleischverzicht beruhte nicht auf der Liebe zum Leben, sondern auf Ächtung des angeblich Unreinen. Albert Einstein wusste es besser: Für ihn war die „vegetarische Diät“ die beste Voraussetzung des menschlichen Überlebens.

Mit einem zweiten Video führt Horowitz vor, wie es im Innern der Schlachthöllen aussieht. Der soften Recherche im Massenmedium Internet steht somit die Hardcore-Realität der Massentötung entgegen. Als seien die Tiere zivile Opfer soldatesker Massaker. Parallelen zu den jüngeren US-Kriegen sind beabsichtigt: Wie die abstrakt flimmernden Fernsehbilder vom Golf- und Irak-Bombardement simuliert auch das abstrahierte Fleisch im Supermarkt „faire“ Vernichtungsvorgänge. By the way: Können Menschen gut sein, die so töten? Die beim Schlachten häufigen Unfälle sprechen eine deutlich negative Sprache, Horowitz spart sie nicht aus. Da fängt ein kopfüber aufgehängtes Schwein wieder an zu zappeln, während ihm das Blut literweise aus dem aufgeschlitzten Hals strömt. Es fällt vom Haken, stürzt in seine Blutlache, strampelt sich dort in den Tod. Guten Appetit!

Kaum fassbar ist das Todeskarussell der Hühner: Sie werden nach leidvollem Flattern mit den Füßen ans Fließband gehängt, in heißes Wasser getaucht und in einer Drehmaschine abgestochen. Entspricht das noch unserem Empfinden, wenn wir die Tiere als „süß“ und „niedlich“ in unser Leben einbeziehen?

Die Tierfolklore illustriert Horowitz mit naiven Bildchen: „Pork“, „Lamb“, „Beef“ und „Poultry“ als unsere besten Freunde, die putzig und würdig Ansprüche anmelden. Aber welches Grundrecht hat ein Nutztier? Etwa das, als Truthahnbraten auf den Tisch zu kommen, wie im bekannten Bild von Norman Rockwell, der sein großes Fressen „Freedom from want“ nannte? Horowitz griff sich dieses Emblem satter amerikanischer Zufriedenheit, zerlegte es in 64 gerahmte Teile und schrieb mit blutrot triefender Schrift „American Gothic“ drauf.

Eine sichtbar benutzte Schlachtbank mahnt nochmals das Umdenken an, nebst skeptischem Blick auf die kitschigen Tier-Pin-ups über ihr. Ihr Gegenstück hat einen Raum für sich, quasi eine Kapelle: Ein Batzen Tofu ist hier im gläsernen Wasserbecken wie ein Gral positioniert. Heilig, pur, sanft, zart – so sieht die Soja der Hoffnung aus.

Der Mythos vom Fleisch als Symbol eines „starken“ Staates hat abgewirtschaftet: Bildung und Gewaltverzicht lauten die Kennzeichen moderner Demokratien. Insofern leistet „Go Vegan!“ hervorragende Arbeit gegen die Verrohung – gehet also hin und esset Gemüse, damit ihr nicht selbst welches werdet!

Bis 10. Mai, Holzmarktstr. 15–18, Di–Fr 13–19, Sa 13–17 Uhr