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Archiv-Artikel

„Das ist, unverschämt gesagt, einzigartig“

Der grüne Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit über die Rolle der Europäischen Grünen Partei und ein Europa, „das zu verändern ist“

taz: Mehrfach hieß es hier auf dem Kongress: „Grüne Wähler kriegen mehr für ihre Stimme.“ Worin besteht denn dieses Mehr?

Daniel Cohn-Bendit: Die grünen Wähler haben die Möglichkeit, ein europäisches Projekt zu wählen. Das heißt, sie haben die Möglichkeit, nicht nur zu sagen: Wir finden die deutschen Grünen gut, sondern sie können sagen: Wir finden diese Partei gut, die sich verpflichtet, nicht nur national zu argumentieren, sondern auch europäisch. Das ist nicht einfach. Wir haben, als Europäische Grüne Partei, Widersprüche zu den Zuständen in den unterschiedlichsten Ländern. Wir können auch Widersprüche haben mit unserer nationalen Regierung, mit unserer eigenen Regierungspartei. Aber grüne Wählerinnen und Wähler haben die Möglichkeit, zu sehen: Aha, sie wagen diese Auseinandersetzung, und das ist, unverschämt gesagt, einzigartig.

Was haben die Grünen denn in den letzten fünf Jahren erreicht im EP?

Wir sind die Gruppe im EP, die am effizientesten permanent neue Koalitionen schmieden kann, wir haben eine Scharnierfunktion. Das kann man zum Beispiel sehen in der Frage der gentechnisch modifizierten Lebensmittel; da waren wir in der Lage, sowohl mit Konservativen als auch auch mit Linken ein Bündnis zu schließen und eine Mehrheit herzustellen.

Früher hieß es aus grüner Ecke oft „Nein zu diesem Europa“. Jetzt dagegen hört man ein enthusiastisches Ja.

„Ja“ schon, aber nicht in dem Sinn, dass wir zu diesem Europa Ja sagen. Wir sagen Ja zu dem Europa, das zu verändern ist. Wer einen Wechsel in der Klimapolitik will, wer eine Regulierung der Globalisierung will, wer soziale Kohäsion in Europa will, wer eine Konfliktprävention Europas in der Welt will, der braucht ein sozialökologisches Europa. Wir sagen, wir können Europa beeinflussen, ein bisschen wenigstens.

Hier schien es fast so, als sei die Europabegeisterung Konsens unter Europas Grünen.

Das ist sie nicht. Wir haben zu einem Trick gegriffen: Die europaskeptische Minderheit akzeptiert, dass viele ihrer Inhalte – Nachhaltigkeit, sozialökologische Regulierung der Globalisierung, Konfliktprävention – nur durch Europa zu erreichen sind. Und wir europäischen Föderalisten akzeptieren die euroskeptischen Kritiker, denn wir meinen, dass sie Widersprüche Europas zuspitzen, die man überwinden muss.

Die Grünen präsentieren sich jetzt als „wirkliche europäische Partei“. Was heißt das für den Wahlkampf?

Wir haben eine gemeinsame Erklärung, und wir wollen durch ein gemeinsames Team auch einen gemeinsamen Wahlkampf führen. Das wird auch physisch sichtbar sein. Ich werde Wahlkampf nicht nur in Deutschland machen, sondern in 18 europäischen Ländern. Wir müssen diesen Kraftakt vollbringen, es auch personell darzustellen, dass wir jetzt eine Europäische Grüne Partei haben. INTERVIEW: MICHAEL BRAUN