: Endstation Notaufnahme
Dort, wo bislang die Nachmittagsshow „Dr. Verena Breitenbach“ lief, zeigt Pro 7 jetzt alte Folgen der US-Serie „Emergency Room“. Doch was bleibt von der Gynäkologin, die TV-Star werden sollte?
von CHRISTOPH SCHULTHEIS
Sagen wir’s doch einfach: Die Pro 7-Nachmittagssendung „Dr. Verena Breitenbach“ war einfach dermaßen schlecht, dass selbst die durchschnittlichsten Durchschnittszuschauer, die um 16 Uhr vorm Fernseher sitzen, daran keinen Gefallen fanden. Echt schlecht eben. Aber was heißt das schon? Jeden Nachmittag um 16 Uhr kamen als Patienten getarnte Laiendarsteller zu „Dr. Verena Breitenbach“ in die TV-Praxis. Mehr muss man nicht wissen. Man kennt das. Und darum geht’s auch gar nicht.
„Dr. Verena Breitenbach“ war jedoch so schlecht, dass Senderkollege Stefan Raab in den letzten Wochen immer mehr Sendezeit damit zubrachte, Ausschnitte aus aktuellen „Breitenbach“-Folgen zu zeigen und eigens angefertigte Parodien, die partout nicht billiger gerieten als das Original. Zudem wurde der Kleindarsteller Wolfram Gittel, „TV Total“-Zuschauern besser bekannt als „der Augen-aufreiß-Mann“ (weil er in einer „Breitenbach“-Episode so lustig die Augen aufgerissen hat), von Raab wieder und wieder herbeizitiert und zuletzt sogar in die Show eingeladen.
Am Ende, als nichts mehr zu retten war, sollen laut Raab durch sein „Breitenbach“-Bashing sogar die „Breitenbach“-Quoten gestiegen sein, und man fragt sich: War das alles etwa nur Guerilla-Promo, um aus dem Müll zum Schluss wenigstens noch Trash zu machen? Vielleicht fragt man sich aber auch bloß, was bisher geschah:
1. Im August 2002 kündigte sich via Bild-Schlagzeile („Ich bin Gynäkologin und werde TV-Star“) eine neue Pro 7-Show an, eine „Personal-Help-Show“, in der die praktizierende Frauenärztin Verena Breitenbach „einen neuen Akzent am Nachmittag“ setzen sollte.
2. Im Januar 2003 wird bekannt, dass es um die Einschaltquoten nicht zum Besten steht („unter 10 Prozent Marktanteil in der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen“).
3. Am gestrigen Montag lief die letzte reguläre Folge, heute gibt es ein „… hinter den Kulissen“. Das war’s.
Doch was bleibt? Der „Augen-aufreiß-Mann“ wird es nicht sein. Wie anno 1999 die „Maschendrahtzaun“-Frau Regina Zindler wurde zwar auch aus Herrn Gittels Grimasse bei „TV Total“ ein Running Gag auf Knopfdruck – doch nichts, was die Nation bewegt. Anders gesagt: Die Sat.1-Show „Richterin Barbara Salesch“, wo der „Maschendraht“-Hype als authentischer Nachbarschaftsstreit begann, ist schon jetzt unsterblich. Der „Breitenbach“-Show hingegen droht, um es mit Patrick Süskind zu sagen, „alsbald wieder im dunklen Lethestrom vollständigen Vergessen zu versinken“.
Doch vielleicht ist da ja doch etwas, das bleibt: dass da beispielsweise das Konzept einer Nachmittagsshow einfach mal so und vor den Augen der Zuschauer komplett über den Haufen geworfen wurde. „Optimiert“, wie man das bei Pro 7 nannte. Schließlich war „Breitenbach“ zuerst ein Beratungs-Talk mit Studiopublikum, Stehpulten und Stegreif – und zuletzt eine Beratungs-Soap mit Hansaplast, Zeter und Mordio …
Die Rosskur, die der Show verordnet wurde, führte zwar zu keinerlei Verbesserung des Allgemeinbefindens – aber schnurstracks ins nächste Fiasko: Von Anfang an wurde die promovierte Frauenheilkundlerin Breitenbach zweckentfremdet als Haus-Nasen-Ohren-Arzt, Therapeutin und Beichtmutter. Doch nachdem die Fälle nicht mehr referiert, sondern in einer Art Spielhandlung untergebracht wurden, musste Frau Doktor dem Drehbuch zuliebe meist als Ad-hoc-Kommissarin oder, was ihr sichtlich leichter fiel, als stummer Zeuge herhalten; nun wurde mal ihr TV-Wartezimmer verwüstet, mal ihre TV-Sprechstundenhilfe als Geisel genommen …
Seltsamerweise nimmt man’s beispielsweise beim Dr. Sommerfeld aus der ARD-„Praxis Bülowbogen“ gelassen, wenn er zur Abwechslung mal eine Folge lang in fremden Genres wildert. Und womöglich ließe sich sogar manch haarsträubender Breitenbach-Plot (mit etwas Geschick) in den ARD-Vorabend umsiedeln. Umgekehrt aber (und ohne) geht’s nicht.
Womit wir schon bei der letzten Erkenntnis angekommen wären, die wir Frau Breitenbach verdanken: bei ihrer Redaktion. Fraglos ist es keine leichte Aufgabe, aus alltäglichen Sprechzimmersituationen leidenschaftliche Dramolette zu basteln, die zudem nie länger als ein Viertelstündchen dauern dürfen.
Doch scheint es mit der Fantasie des durchschnittlichsten Durchschnittsredakteurs nicht weit her. Die Sex-und-Crime-Storys jedenfalls, die schließlich von der angeheuerten Laienschauspieltruppe umgesetzt werden mussten, waren meist so linear wie ein Stapel Schuhkartons.
Denn das „Breitenbach“-Team sollten die Redakteure die Wechselfälle des Lebens plötzlich selbst generieren. Und so sah das dann auch aus: wie zusammengekratzt und -gekleistert aus „Tatort“ und „Star Trek“, aus „Die dümmsten Kollegen“ und „Peep“ oder aus der „Praxis Bülowbogen“ vielleicht, aus dem kollektiven Bodensatz langjährigen TV-Konsums also – und aus dem Bekanntenkreis.
Bleiben wird von „Dr. Verena Breitenbach“ demnach eine Hand voll Arbeitnehmer, die das alles verzapft hat (um sich am Cola-Automaten oder in der Teeküche hilf- und besinnungslos über die eigene Arbeit lustig zu machen). Eine Hand voll Mitmenschen, die nun neue Herausforderungen sucht – und finden wird!