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Archiv-Artikel

Westerwelle düpiert Kandidat Schäuble

Der FDP-Chef kolportiert das Abrücken der Union von Bundespräsidenten-Kandidat Wolfgang Schäuble. Nach der Niederlage in Hamburg wünscht sich die FDP nichts mehr als ein liberales Staatsoberhaupt. Westerwelle soll Konflikt mit Union suchen

VON JÖRG SCHALLENBERG UND ANDREAS SPANNBAUER

Für Guido Westerwelle wird es eng. Erstmals seit seiner Wahl zum Parteichef sind die Liberalen aus einem Landtag geflogen. Nachdem die FDP in Hamburg die Teilhabe an der Macht verloren hat, steht Guido Westerwelle unter Druck, bei der Wahl des Bundespräsidenten Flagge zu zeigen. Er soll seiner Rede von einem liberalen Kandidaten Taten folgen lassen – zumal ihm die herbe Niederlage in der Hansestadt auch persönlich angelastet wird.

Überraschend erklärte Westerwelle gestern im Vorstand seiner Partei, er gehe nicht mehr davon aus, dass die Union am früheren CDU-Vorsitzenden Wolfgang Schäuble als gemeinsamen Kandidaten festhält. Die Union selbst sei es, die von Schäuble abgerückt sei, behauptete der wendige Liberale nach dpa-Informationen. Nichtsdestotrotz sprach er sich für auf einen gemeinsamen Kandidaten aus.

Teile der Partei jedoch drängen mehr denn je auf einen eigenen Bewerber für das Amt des Bundespräsidenten. Der Fraktionschef der FDP im Kieler Landtag, Wolfgang Kubicki, verlangte von Westerwelle, „ab sofort mehr Eigenständigkeit“ zu beweisen. „Ich erlebe seit Monaten eine solche Anbiederung an die Union auf Bundesebene, dass es mir langsam auf die Nerven geht.“

Um sich von der CDU abzusetzen, ist die Wahl des Bundespräsidenten am 23. Mai die ideale Gelegenheit, denn in der Bundesversammlung haben die Liberalen auch nach Hamburg genügend Stimmen, um zwischen Kandidaten von Rot-Grün und Union den Ausschlag zu geben. Auf der Liste der Liberalen stehen die CDU-kompatiblen Männer Wolfgang Gerhardt, FDP-Fraktionschef im Bundestag, und der frühere Außenminister Klaus Kinkel. Eine Alternative wäre die ehemalige Ausländerbeauftragte Cornelia Schmalz-Jacobsen, die auf Stimmen von SPD und Grünen hoffen könnte – auch wenn einer Ampel-Präsidentin kaum noch Chancen eingeräumt werden.

Mit leeren Händen kann Westerwelle also kaum zurückkehren, wenn er sich in den nächsten Tagen mit CDU-Chefin Angela Merkel und CSU-Chef Edmund Stoiber zum entscheidenden Gespräch trifft. Doch so sehr ihn die Wahlschlappe an der Elbe innerparteilich unter Zugzwang setzt, so sehr ist seine Verhandlungsmacht gegenüber der Union gesunken.

Stoiber legte der FDP gestern erstmals ausdrücklich nahe, auf einen liberalen Bewerber zu verzichten. Ein Festhalten der FDP an einem eigenen Kandidaten nannte er „nicht sehr klug“.

In der Union gilt es als unstrittig, dass Parteichefin Merkel einen eigenen Kandidaten durchsetzen muss, wenn sie 2006 als Kanzlerkandidatin antreten will. Merkels Gegner, etwa der Fraktionsvize Friedrich Merz oder der brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm, legten sich gestern im CDU-Präsidium demonstrativ auf Wolfgang Schäuble als Kandidaten fest, gegen den es in der FDP große Vorbehalte gibt. „Es muss der Beste werden. Und der Beste ist Wolfgang Schäuble“, sagte Merz. Merkel blockte ab – sie will sich bisher nicht festlegen, um die Gespräche mit der FDP nicht unnötig zu erschweren (siehe Kasten). Einen FDP-Kandidaten wird Merkel ihrer Partei dennoch kaum ohne eigenen Gesichtsverlust erklären können.

Die FDP-Spitze tritt daher schon einmal vorsichtig den Rückzug an. Zwar gab sich Parteichef Westerwelle gestern noch einmal resolut. „Die Freien Demokraten haben vor und nach der Wahl 82 Stimmen in der Bundesversammlung“, insistierte er. Seine Generalsekretärin Cornelia Pieper betonte indes, es gebe „in erster Linie ein Interesse der FDP, eine bürgerliche Mehrheit in der Bundesversammlung zu finden“.

Pieper schwenkte damit auf ein Angebot Stoibers ein, der FDP programmatisch – etwa in der Steuerpolitik – entgegenzukommen, falls diese einen Kandidaten der Union wählen sollte.

Bei dem stellvertretenden FDP-Vorsitzenden Walter Döring stieß diese Offerte dagegen auf schroffes Missfallen. Der Bundespräsident könne nicht wegen politischer Inhalte „verschachert“ werden, sagte Döring. Auch Merkel stellte sich gegen Stoiber und sagte, „Tauschgeschäfte“ seien in der Präsidentenfrage unangemessen.