nobel, streit etc.
: Der Friedenspreis als Kriegspreis?

Johan Galtung war nicht dabei, als am Mittwoch in Oslo der diesjährige Friedensnobelpreisträger Martti Ahtisaari mit einem Fackelzug geehrt wurde. Diese Verleihung sei nämlich eine Schande, meint der Friedensforscher gegenüber der norwegischen Tageszeitung Klassekampen. Überhaupt habe sich der Friedenspreis eher zu einem „Kriegspreis“ entwickelt. Das norwegische Nobelkomitee sei offenbar seiner Aufgabe nicht gewachsen, würdige PreisträgerInnen zu ernennen. Daraus müsse man Konsequenzen ziehen: „Norwegen sollte vorschlagen, dass die Vereinten Nationen das übernehmen.“

Ein vom norwegischen Parlament Storting aufgrund des jeweiligen Kräfteverhältnisses der Parteien gewähltes fünfköpfiges Gremium ist jetzt für die Auswahl der alljährlichen FriedensnobelpreisträgerInnen zuständig. „Was will man erwarten, wenn vom Storting ausgewählte Nato-Anhänger den Preis vergeben“, fragt Galtung: „Der Westen wählt den Westen.“ Als ein Beispiel verweist er darauf, dass bislang acht US-Außenminister den Preis erhielten: „Und die USA sind ja nicht unbedingt die friedlichste Nation der Welt.“ Dagegen finde man zentrale Friedenskämpfer wie Gandhi nicht auf der Liste. Auch sei eine Schwäche des Preises, dass er vorwiegend an Organisationen und Einzelpersonen vergeben werde, aber nicht an soziale Bewegungen. So habe man Muhammad Yunus den Preis für seine Mikrokredite gegeben, statt die Graswurzelbewegungen zu ehren, die das Gleiche machten.

„Es gibt ein Nobelpreisschema“, kritisiert Galtung: „Den Preis bekommen Personen mit Ansichten, die mit der norwegischen Außenpolitik kompatibel sind.“ Vom ursprünglichen Willen Alfred Nobels, der sich zu diesem Preis von der Friedenskämpferin Bertha von Suttner und deren Buch „Die Waffen nieder“ inspirieren ließ, habe sich das Nobelkomitee weit entfernt.

Bei dieser Kritik trifft sich Galtung mit Frederik S. Heffermehl, Ehrenpräsident des norwegischen „Friedensrats“ und aktiv im International Peace Bureau. Der veröffentlichte vor zwei Monaten das Buch „Nobels vilje“ („Nobels Wille“), in dem er dem Nobelkomitee vorwirft, Nobels antimilitaristischen Ausgangspunkt aus den Augen verloren zu haben. Heffermehl geht so weit, viele der in den letzten Jahren verliehenen Nobelpreise für schlicht gesetzeswidrig zu halten, weil die Preisvergabe kaum noch etwas mit Nobels Testament zu tun habe. Nicht nur das: Am Mittwoch teilte die Länsstyrelsen in Stockholm, die Aufsichtsbehörde für schwedische Stiftungen, mit, sie habe eine Untersuchung eingeleitet, inwieweit die Verleihung der Friedensnobelpreise in Übereinstimmung mit Alfred Nobels Testament steht – aufgrund eines förmlichen Antrags von Fredrik S. Heffermehl. REINHARD WOLFF